Ambivalenz
(Doppelwertigkeit, Bipolarität), in der wissenschaftlichen Verwendung Begriff der Psychiatrie zur Erklärung psychopathologischer Phänomene. Der Schweizer Psychiater E. Bleuler hatte den A.-Begriff zur Deutung von frühkindlichen Geisteskrankheiten eingeführt. Er nahm an, dass ambivalente Gefühlsregungen gegenüber ein- und derselben Person, Sachen und Ereignissen (insbesondere sexueller Art, z.B. Hassliebe) zur Entstehung der Schizophrenie führen kann. Freud nimmt den Begriff (wo er gelegentlich auch als »Wunschgegensatz« bezeichnet ist) in seine Neurosenlehre auf: Der Neurotiker hat ein ambivalentes Verhältnis etwa zu seinen Trieben oder Triebobjekten. Anders als der Normale, der sich entscheidet oder distanziert, kann er diesen Konflikt nicht lösen, es kommt zu schweren Störungen der Psyche. In jüngerer Zeit hat die double-bind-Theorie von G. Bateson dem Phänomen der A. einen vielbeachteten Aspekt hinzugefügt: Nach Bateson kann ambivalentes Elternverhalten gegenüber dem Kind (z.B. zweideutige Gestik) für die Entstehung schizophrener Krankheitsbilder verantwortlich sein.
MFM
LIT:
- G. Bateson: Die kologie des Geistes. Frankfurt 1981
- E. Bleuler: Vortrag ber Ambivalenz in Bern 1910. In: Zentralblatt fr Psychiatrie I, S. 266
- Ders.: Dementia Praecox oder Gruppen der Schizophrenie. In: Aschaffenburgs Handbuch der Psychiatrie (1911)
- S. Freud: Bemerkungen ber einen Fall von Zwangsneurose. In: Ges. Werke VII
- Ders.: Die Dynamik der bertragung. In: Ges. Werke VIII.