Anteilnahme,Prinzip der
In Abgrenzung zum Prinzip der formalen Gerechtigkeit wurde von Gilligan ein ethisches Prinzip formuliert, das aus einem Verständnis der wechselseitigen Verbundenheit eine ethische Perspektive entwickelt, in der Fürsorglichkeit (care), Zuwendung und A. die Kategorien zur Beurteilung moralischer Konflikte darstellen. D.h. solche Konflikte werden nicht danach beurteilt, ob abstrakte Rechtsprinzipien verletzt werden, sondern nach einem Verständnis von Verantwortung, das die Folgen einer Handlung für das Erleben anderer und im Hinblick auf die Verletzbarkeit anderer abschätzt. Empathie und Mitgefühl entwickeln sich auf der Grundlage sozialer Beziehungen und Interaktionen. A. wird zum selbstgewählten Prinzip einer Auffassung, die in ihrer Rücksichtnahme auf Beziehungen und Reaktionen psychologisch bleibt, die aber in der Verurteilung von Ausbeutung und Verletzung als universeller Maßstab fungiert. Als ethisches Prinzip stellt sie eine Kritik an den formalen Moral- und Rechtsprinzipien dar, insofern diesen die Annahme der Beziehungslosigkeit der Personen zugrundeliegt. – Diese ethische Konzeption wurde als Gegenmodell aus der Sichtweise weiblichen Denkens entwickelt. Kohlbergs Stufenmodell der Moralurteile wird in seiner Allgemeingültigkeit angezweifelt. Ihm wird ein dreistufiges Modell der Entwicklung entgegengestellt, nach dem sich ein adäquates Verständnis der A. erst dann entwickelt, wenn die Einstellungen der Selbstaufopferung und der Selbstbehauptung in ihrer Einseitigkeit aufgehoben und ein neues Verständnis der Verbundenheit zwischen dem Selbst und den anderen entwickelt wurde.
PP
LIT:
- C. Gilligan: Die andere Stimme. Lebenskonflikte und Moral der Frau. Mnchen 1984.