Dianoetisch
(griech. dianoetikos: rational). Im Timaios 89 a3 spricht Platon von einer »d.en« Bewegung, der »Bewegung des Denkens«, die stetig und gleichmäßig sei. Für Platon ist die dianoia, das Nach-Denken im strengen Sinne, zwischen der Meinung, der doxa, und der Vernunft, dem nous, angesiedelt. Es ist die Denkform der Mathematiker, die aus bestimmten vorausgesetzten Hypothesen Schlussfolgerungen ziehen (Staat 511 c ff.). Zu einem terminus technicus macht erst Aristoteles diesen Begriff: er unterscheidet in der Ethik zwischen ethischen und d.en Tugenden (Eth. Nic. 1103 a 3 ff.). Die d.en Tugenden, die Vorzüge des Verstandes, »gewinnen Ursprung und Wachstum vorwiegend durch Lehre, weshalb sie Erfahrung und Zeit brauchen«; die ethischen Tugenden dagegen, die Vorzüge des Charakters, sind das »Ergebnis von Gewöhnung.« D.e Tugenden sind etwa Weisheit (sophia), Intelligenz (synesis), sittliche Einsicht (phronesis). Das Buch VI der Nikomachischen Ethik ist den d.en Tugenden gewidmet.
MSU
LIT:
- U. Wolf: Aristoteles Nikomachische Ethik. Darmstadt 2002.