Entscheidungstheorie
E. als philosophische Disziplin sucht Regeln für rationales Handeln von Individuen (Individual-E.) und Gruppen (soziale oder Gruppen-E.) in Entscheidungssituationen und ist als präskriptive Disziplin von der deskriptiven (psychologischen, soziologischen etc.) E. zu unterscheiden. Ihre Wurzeln liegen in der Ökonomie und Politologie. Grundgedanke der E. ist, dass rationales Entscheiden in der Maximierung des subjektiven Erwartungswertes relativ zu verfügbaren Informationen und zur (subjektiven) Präferenzordnung besteht. Nach dem Informationsstand über Umweltfaktoren unterscheidet man Entscheidung unter Gewissheit, unter Risiko und unter völliger Ungewissheit (ignorance). Entscheidungen unter Risiko setzen neben der subjektiven Präferenzordnung eine subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilung bezüglich möglicher Handlungsumstände und damit -ergebnisse voraus; bekannteste Regel hier ist die Bayes’sche Regel: Wähle die Handlung, bei der die Summe der Produkte (Wahrscheinlichkeit x Wert des möglichen Ergebnisses) maximal wird. Regeln für Entscheidungen unter Ungewissheit sind z.B. die (pessimistische) Maximin-Regel (Wähle die Handlung, die unter ungünstigsten Umständen noch das beste Ergebnis bringt), die optimistische Maximax-Regel (Wähle die Handlung, die unter günstigsten Umständen das beste Ergebnis bringt), die Minimax-regret-Regel (Handle so, dass die größtmögliche Fehlentscheidung minimal wird), u.a. Die Spieltheorie als Sonderbereich der Individual-E. sucht Verhaltensregeln für mehrere interagierende Individuen mit teilweise konkurrierenden Interessen. – Die soziale E. (social choice theory) sucht Regeln für die Überführung (Aggregation) individueller Präferenzen und Entscheidungen in Gruppenpräferenzen und -entscheidungen. – Wie viel die E. zur Explikation des Begriffs der praktischen Rationalität beiträgt, ist strittig. Alle genannten Regeln führen mitunter zu kontraintuitiven Handlungsempfehlungen. Philosophisch relevant ist eine Reihe weiterer negativer Ergebnisse der E.: so gibt es keine soziale Aggregationsfunktion, die einen Katalog schwacher, intuitiv plausibler Mindestbedingungen erfüllt (Arrows Unmöglichkeitstheorem); Paradoxa der Spieltheorie zeigen, dass rationale Individualentscheidungen mitunter sozial suboptimale Ergebnisse erzeugen.
WL
LIT:
- R. C. Jeffrey: The Logic of Decision. Chicago/London 21983 (dt. Logik der Entscheidungen. Wien 1967)
- L. Kern/J. Nida-Rmelin: Logik kollektiver Entscheidungen. Mnchen/Wien 1994
- M. D. Resnik: Choices. Minneapolis 1987
- W. Stegmller: Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie. Berlin u.a. 1969 ff. Bd. I, S. 385395; Bd. IV/1, S. 285385.