Genie
ursprünglich ein Begriff der Rhetorik, der in seiner modernen Ausprägung im 17. und 18. Jh. in Frankreich (z.B. bei Diderot) und England (z.B. bei Shaftesbury) wichtig wurde. In seiner weiteren Entwicklung im 18. und 19. Jh. erhielt der Begriff zunehmend auch philosophische Relevanz. Im Rahmen der klassischen deutschen Ästhetik bezeichnete er den Künstler bzw. die Gesamtheit der ihn auszeichnenden Fähigkeiten. In einigen Philosophien der Kunst dient der Begriff G. als entscheidender Zugang zum Wesen der subjektiven künstlerischen Schöpfung. In diesem Sinne ist der G.-Begriff besonders bedeutsam in der Genieästhetik und im Geniekult des »Sturm und Drang« (Mendelssohn, Lessing, Herder, der junge Goethe): Das künstlerische G. stellt sich gegen die tradierten Regeln, überwindet sie und stellt selbst neue Regeln für das künstlerische Schaffen auf. In diesem Sinne ist das G. im Wesentlichen originell (»Originalgenie«). Seit Hegel wird die Bedeutung des G.s insofern relativiert, als die Notwendigkeit einer Verbindung von Talent und Arbeit (»G.« und »Studium«) betont wird. In der zeitgenössischen Ästhetik ist der Genieanspruch durch die nüchterne Vorstellung ersetzt worden, dass große Kunst eine innovative Leistung enthalten müsse. Auch außerhalb der Kunsttheorie findet der Begriff G. gelegentlich Verwendung und bedeutet dann meist eine ungewöhnliche Begabung (Talent) – im Gegensatz zum erlernten Können – für spezifische Tätigkeiten (Wissenschaft, Politik etc.).
RL
LIT:
- F. Brentano: Das Genie. Leipzig 1892
- J. Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 17501945. Darmstadt 21988
- E. Zilsel: Die Entstehung des Geniebegriffs. Tbingen 1926.