Herrschaft
die durch Sanktionsmöglichkeiten (z.B. Gewalt) gedeckte Chance, Freiheitsgrade einzuschränken und zu regeln. Dabei handelt es sich bei H. in der Regel um einen relationalen Begriff: A herrscht über B, d.h. A verfügt über Möglichkeiten, B in seinen Entscheidungen und Handlungen zu beeinflussen, wenn nicht zu steuern. – Gerade in der Antike wurde die Rolle des Herrschers häufig mit der Funktion des Steuermanns verglichen, Schiff und Mannschaft sicher durch schwieriges Gewässer zu führen. Dieses Verständnis von H. als Steuerung hat u.a. auch in der politischen Kybernetik (K. W. Deutsch) Eingang gefunden. – H. bezeichnet überdies eine mehr oder weniger feste Einrichtung, deren Regeln bekannt sind und deren Bestehen nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird. Denn H. wird – anders als Macht – zumeist durch den Glauben an ihre Legitimität gestützt. M. Weber hat hierzu zwischen (1) legaler, (2) traditionaler und (3) charismatischer H. unterschieden, deren Legitimität entweder auf (ad 1) formal korrekter Anwendung, (ad 2) Gewohnheit oder (ad 3) persönlichen Eigenschaften des Herrschers beruhen. Im Unterschied zur Antike, die v.a. noch die Parallele zwischen Selbstund Fremdbeherrschung thematisierte – nur ausreichende Selbstbeherrschung befähigt auch zur H. über andere und gilt somit als Befähigungsnachweis –, wird die Personalisierung von H. in der modernen Gesellschaft jedoch immer stärker von legaler, wenn nicht technokratischer H. zurückgedrängt, in der unpersönliche, durch Sachzwänge diktierte H.s-Techniken überwiegen.
KH
LIT:
- Aristoteles: Politik
- P. Bachrach: Die Theorie demokratischer Elitenherrschaft. Frankfurt 1967
- K. W. Deutsch: Politische Kybernetik. Modelle und Perspektiven. Freiburg 1969
- M. Foucault: Der Staub und die Wolke. Bielefeld 1982
- R. M. MacIver: Regierung im Krftefeld der Gesellschaft. Frankfurt 1952
- H. Popitz: Phnomene der Macht. Autoritt-Herrschaft-Gewalt-Technik. Tbingen 1986
- M. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundri der verstehenden Soziologie. Tbingen 1922.