Hylemorphismus
neuere, eher im engl. Sprachraum verbreitete Bezeichnung für die zentrale Lehre der aristotelischen Philosophie, dass das Einzelding, die Substanz, aus zwei verschiedenen Prinzipien besteht, dem Material (hyle) und der Form (morphe) (Met. VII, 3, 7–8). Bei der Analyse des Werdens stößt man nach Aristoteles immer auf drei Elemente: Alles Werdende wird durch etwas und aus etwas und zu etwas. Dasjenige, woraus etwas wird, ist nach der aristotelischen Terminologie der Stoff (hyle), das, wodurch es wird, ist etwas von Natur Seiendes, also eine gleichartige natürliche Substanz (ein Mensch zeugt einen Menschen); dasjenige, zu was es wird, ist z.B. ein Mensch, eine Pflanze oder sonst eine Substanz. Alles, was wird, sei es durch Natur, sei es durch Kunst (techne), hat einen Stoff; denn jedes Werdende hat die Möglichkeit, sowohl zu sein als auch nicht zu sein und das ist in einem jedem der Stoff. Im Beispiel der Bildsäule, die durch Kunst entsteht, ist das Erz der Stoff, in dem der Hermes potentiell enthalten ist. Der Bildhauer schafft ihn nach seiner Vorstellung, so dass die vollendete Bildsäule eine konkrete Einheit aus Stoff und Form ist. In der Physik I, 4–9 wird diese Lehre näher ausgeführt: Man spricht von Veränderung oder Werden in zweierlei Weise, entweder »ein Mensch wird gebildet« oder »das nicht-Gebildete wird gebildet«; im ersten Fall bleibt Mensch erhalten, wenn ein Mensch gebildet wird, »nicht-gebildet« dagegen beharrt beim Werden nicht. Aber ob wir nun sagen »a wird b« oder »nicht-b wird b«, immer wird a-nicht-b zu a-b. Das Produkt enthält zwei Elemente, ein Zugrundeliegendes und eine Form; aber ein drittes Element wird von dem Werden vorausgesetzt, das Fehlen einer Bestimmtheit (steresis). Das Zugrundeliegende war vor dem Werden numerisch eins, schloss aber zwei unterscheidbare Elemente ein – das, was während der Veränderung bleiben sollte und das, was durch sein Gegenteil ersetzt wurde. Auf diese Weise erhalten wir drei Prinzipien des Werdens – Stoff, Form, Fehlen der Bestimmtheit.
MSU