Organonmodell
Das O. ist ein Funktionsschema der Sprache, das K. Bühler 1934 in seinem Buch Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache vorstellte. Ausgangspunkt ist dabei das Sprechereignis, das drei konstitutive außersprachliche Komponenten hat. Den Sender, den Empfänger und einen Gegenstand bzw. Sachverhalt, von dem die Rede ist. Bühler ordnet jeder dieser Komponenten eine Sprachfunktion zu. Dem Sender die Ausdrucksfunktion, dem Empfänger die appellative Funktion und dem Gegenstand bzw. Sachverhalt, von dem die Rede ist, die darstellende Funktion. Beim Sprechereignis sucht der Sprecher eine wahre oder nur vorgetäuschte Haltung, z.B. eine Überzeugung, auszudrücken. Dies ist die Ausdrucksfunktion der Sprache. Das Gerichtetsein der Ausdrücke an einen Adressaten, das vor allem beim Vokativ und Imperativ zur Geltung kommt, ist die appellative Funktion der Sprache. Ist im Sprechereignis von einem Gegenstand oder Sachverhalt die Rede, kennzeichnet dies die darstellende Funktion der Sprache. Die im Mittelpunkt eines aktuellen Sprechereignisses stehende Komponente bestimmt, welche der Sprachfunktionen dominiert. Der Aufbau ist also hierarchisch. – Mitglieder des Moskauer und des Prager Linguistenkreises, allen voran R. Jakobson, hatten bereits weit vor 1934 auf eine weitere, bei Bühler nicht genannte Funktion der Sprache verwiesen, die poetische Funktion. So wurde schrittweise das Dreifunktionenmodell zum Sechsfunktionenmodell der Sprache ausgebaut. Während für Bühler nur drei außersprachliche Komponenten für das Sprechereignis konstitutiv sind und er ihnen je eine Sprachfunktion zuschreibt, nennt Jakobson in Linguistik und Poetik (1960) zusätzlich drei Komponenten (die Mitteilung, den Kontakt und den Kode), die sich auf das sprachliche Zeichen selbst beziehen. Auch diesen drei sprachlichen Komponenten ordnet Jakobson je eine Funktion zu: der Mitteilung die poetische Funktion, dem Kontakt die phatische Funktion und dem Kode die metasprachliche Funktion. Die poetische Funktion bezieht sich auf das Sprachmaterial selbst. Sie zeigt sich z.B. in den unterschiedlichen Reimformen. In der Poesie ist sie die dominante Sprachfunktion. Aber auch in der Alltagssprache spielt sie eine Rolle, auch wenn der Sprecher dort in der Regel unbewusst z.B. zu Alliterationen bei der Wortwahl greift. Die phatische Funktion bezieht sich auf den Kanal und dient vor allem dem Zweck, Kommunikation zu erstellen, zu verlängern und zu kontrollieren. Die metasprachliche Funktion bezieht sich auf den Kode selbst und spielt, wie Jakobson gezeigt hat, für den Spracherwerb eine wichtige Rolle.
TF
LIT:
- K. Bhler: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart 21965
- R. Jakobson: Poetik. Ausgewhlte Aufstze 19211971. Frankfurt 21989.