Sex/Gender
S. bezeichnet in der angloamerikanisch orientierten theoretischen Diskussion das biologische Geschlecht, G. kulturell produzierte Geschlechterdifferenzen. Je nachdem, wo man die Grenze zwischen Biologie und Kultur zieht, ist damit auch die Zuständigkeit von Sozialwissenschaften und Philosophie abgesteckt: S. wird als naturwissenschaftlich zu untersuchende anthropologische Konstante angesehen, die kulturell überformt wird, und nur die Überformung kann Gegenstand sozialtheoretischer und philosophischer Reflexion sein. Diese disziplinäre Arbeitsteilung wird jedoch neuerdings bestritten mit dem Argument, auch biologisch-medizinische Geschlechtsbestimmungsmethoden seien soziale Praktiken, die in Rechtssysteme eingebunden seien: Uneindeutige Fälle werden künstlich vereindeutigt, um dem sozialen Zwang zur Exklusivität der Geschlechtskategorien nachzukommen; man darf nur entweder Frau oder Mann, aber weder beides noch keines von beidem sein. Diese Argumentation behandelt S. als ein soziales Konstrukt, das Bestandteil des euro-amerikanischen Geschlechtsbegriffs ist, der mit der S./G.-Unterscheidung eine Biologie oder Natur jenseits von Kultur und Sprache unterstellt.
HL
LIT:
- Feminist. Studien. Jg. 11. Nr. 2/1993.