Sozialdarwinismus
Übertragung der von Ch. Darwin beschriebenen Mechanismen der »Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl« auf Sozialbeziehungen des Menschen. Insbesondere H. Spencer, der auch die Formel vom »Überleben der Tüchtigsten« (survival of the fittest) prägte, legt die Grundsteine des S. Der S. geht davon aus, dass eine übergroße Population nur diejenigen überleben lässt, die sich im »Kampf ums Dasein« überlegen zeigen. Selektion ist damit der Motor jeden Fortschritts. Bejahung umfassender sozialer Auslese und Legitimation der vorhandenen gesellschaftlichen Ungleichheiten leitet der S. aus dieser Biologisierung sozialer Verhältnisse ab. Als rational kann danach nur eine Politik gelten, die den schon vorhandenen Selektionsdruck ungehindert walten lässt, bzw. noch verstärkt. Wirkungsmächtig wurden sozialdarwinistische Konzepte v.a. im ausgehenden 19. und im 20. Jh. In diesem Zusammenhang ist auf zwei folgenreiche Ausformungen hinzuweisen. So greifen Rassenlehren Kampfsemantik und Ausmerzungsvokabular des S. auf (Vacher de Lapouge, Niceforo, H. St. Chamberlain); der S. dient zur Begründung des kolonialistischen Ausgreifens europäischer Staaten und der USA. Binnengesellschaftlich entwickelt sich eine sozialdarwinistische Eugenik, die in der Existenz von körperlich und geistig »Minderwertigen« eine Bedrohung für den »Überlebenskampf« der jeweiligen Gesellschaft, des »Volkes« sieht (in Deutschland v.a. O. Ammon, A. Ploetz, in den USA W. G. Sumner). Faschismus und Nationalsozialismus greifen diese Ideen auf und legitimieren mit den wissenschaftlich unhaltbaren Vereinfachungen des S. ihre Ausrottungspolitik.
TN
LIT:
- K. Drner: Tdliches Mitleid. Gtersloh 1989
- R. Hofstadter: Social Darwinism in American Thought. New York 1959.