Substanz
(griech. ousia). S. ist nach Aristoteles das, was im eigentlichen Sinne seiend ist (Met. VII.1). In der Kategorienschrift definiert er eine S. als dasjenige, was nicht von einem Zugrundeliegenden prädiziert werden kann und nicht in einem Zugrundeliegenden ist (2a 11–13). Eine S. ist also ein letztes Subjekt der Prädikation. Als weiteres zentrales Merkmal einer S. gibt er an, als dasselbe zu beharren und wechselnde Eigenschaften annehmen zu können (4a 10–11). In der Kategorienschrift sieht er einzelne Dinge wie Menschen und Pferde als S. an (2a 11–14), im 7. Buch der Metaphysik hingegen nur deren Form (eidos, Wesen). Umstritten ist, ob diese Form etwas Individuelles oder etwas Allgemeines ist. Descartes verschärft Aristoteles’ Merkmale dahingehend, dass eine S. von anderem Seienden unabhängig und unvergänglich ist. S. (res) im strikten Sinne ist daher nur Gott (Principia I, 51). Ausdehnung (res extensa) und Geist (res cogitans) erfüllen das Kriterium der Unvergänglichkeit, sind aber von Gott abhängig. In der Nachfolge Descartes’ erkennt Spinoza nur Gott, den er mit der Natur identifiziert (Deus sive natura), als S. an und spricht ihm Ausdehnung und Denken als Attribute zu. Nach Kant ist das Substanzkonzept eine der Kategorien. Es hat somit nur für Dinge als Erscheinungen Gültigkeit (Transzendentalphilosophie). Er bestimmt die S. als das Beharrende in den Erscheinungen, das bei dem Wechsel von Eigenschaften erhalten bleibt (KrV A 182/B 224; A 189/B 232). Kant legt sich nicht darauf fest, ob es numerisch eine oder mehrere S.en gibt. – S. wird im Kontext der neuzeitlichen Physik allgemein mit beharrendem Materiellen und damit mit Erhaltungssätzen in Verbindung gebracht. In der Philosophie der Quantenmechanik wird die Anwendbarkeit des Substanzbegriffs in Frage gestellt. – Seit Hume (Treatise, I. 4) wird aus verschiedenen Gründen bestritten, dass es überhaupt S.en gibt. Whitehead setzt einer Substanzontologie eine Prozessontologie entgegen.
ME
LIT:
- M. Frede/G. Patzig: Aristoteles Metaphysik Z. Text, bersetzung, Kommentar. 2 Bde. Mnchen 1988
- W. Kneale: The Notion of a Substance. Proceedings of the Aristotelian Society. New Series 40 (1939). S. 103134
- P. Mittelstaedt: Philosophische Probleme der modernen Physik. Mannheim/Wien/Zrich 71989. Kap. 4
- W. Stegmaier: Substanz. Grundbegriff der Metaphysik. Stuttgart-Bad Cannstatt 1977
- A. N. Whitehead: Proze und Realitt. Frankfurt 1979.