Weisheit
(griech. sophia). Während in der Antike als Sophisten die berufsmäßigen Lehrer der W. bezeichnet werden, impliziert der Begriff Philosophie (philosophia), dass der Mensch, im Unterschied zum allwissenden Göttlichen, nur ein beständig nach W. Strebender ist. Dem entspricht die Behauptung des Sokrates, dass nur der weise ist, der die Begrenztheit seiner menschlichen W. (anthropine sophia) erkennt, also unterscheiden kann zwischen dem, was er weiß und was er nicht weiß. Bei Platon ist sophia eine der Kardinaltugenden, die dem obersten, vernünftigen Seelenteil zukommt. Der Philosoph ist getragen von dem aus dem Ungenügen an der eigenen Unwissenheit entspringenden Streben hin zur Schau der Ideen (Symposion). Auch bei Aristoteles bezeichnet sophia die höchste philosophische Einsicht. Der Begriff kennzeichnet (als Tugend) nicht nur den Besitz von Wissen, sondern auch die dem Streben nach Einsicht entsprechende Lebensführung, weshalb der Weise als Ideal für die Einheit von Wissen und Leben steht. – Auch im weiteren Verlauf bezeichnet W. ein vollendetes Wissen, nicht im Sinne eines wissenschaftlichen Systems, sondern der geistigen Vervollkommnung, die ein Mensch durch Studium und Lebenserfahrung erlangen kann. Schopenhauer fasst das Verständnis von W. in dem Satz zusammen: »Weisheit scheint mir nicht bloß theoretische, sondern auch praktische Vollkommenheit zu bezeichnen. Ich würde sie definieren als die vollendete, richtige Erkenntnis der Dinge im Ganzen und Allgemeinen, die den Menschen so völlig durchdrungen hat, daß sie nun auch in seinem Handeln hervortritt, indem sie sein Tun überall leitet« (Paralipomena, § 339).
FPB
LIT:
- W. Oelmller (Hg.): Philosophie und Weisheit. Paderborn u. a. 1989.