Ding an sich
seit Kants Kritik der reinen Vernunft (1781) der Begriff für die von der menschlichen Erkenntnis unabhängige Wirklichkeit. Das D.a.s. ist für uns unerkennbar, weil es im Gegensatz zu der Erscheinung die Bedingungen unserer Erkenntnis – anschauliche Gegebenheit in Raum und Zeit sowie Kategorialität – transzendiert. Bei Kant lassen sich zwei Bedeutungen des Begriffes »D.a.s.« unterscheiden. (1) Als »Noumenon im negativen Verstande« (KrV, B 307) ist das D.a.s. ein »Grenzbegriff« (B 310) des transzendentalen Idealismus. Da wir uns durch Abstraktion von unserer Art der Anschauung intelligible Dinge als möglich denken können, die unsere Erkenntnisbedingungen transzendieren, dürfen wir nicht ausschließen, dass es solche Dinge tatsächlich gibt, auch wenn sie für uns nicht erkennbar sind. Deshalb müssen wir den Geltungsumfang unserer Erkenntnisbedingungen auf die für uns erkennbaren Dinge einschränken, »ohne doch etwas Positives außer dem Umfange derselben setzen zu können« (B 311). – (2) Seiner zweiten Bedeutung nach wird das D.a.s. als ontologisch unabhängiger Seinsgrund bzw. als »Ursache der Erscheinung« (B 344, 522) aufgefasst, die sich zwar unserem erkennenden Zugriff entzieht, deren Existenz jedoch feststeht (Akad.-Ausg. 4, S. 289). In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer Zwei-Welten-Lehre Kants, weil er neben dem Bereich der phänomenalen Vorstellungen eine vom Subjekt unabhängige und es affizierende intelligible Wirklichkeit annimmt.
Insbesondere die zweite Auffassung des D.a.s. ist von Kants Zeitgenossen und unmittelbaren Nachfolgern (Jacobi, Aenisidemus-Schulze, dt. Idealismus), aber auch vom Neukantianismus kritisiert worden. Kants Behauptung, die D.e a. s. seien unerkennbar, ist nämlich mit seiner Annahme, dass sie existieren, einen intelligiblen Charakter haben und sogar kausal wirksam sind, nur schwer vereinbar. Diese Unverträglichkeit lässt sich auch dadurch nicht ausräumen, dass man auf die systematische Bedeutung der Position für die Auflösung der Vernunft-Antinomien hinweist oder sie als Ausdruck von Kants ontologischem Realismus versteht. – In den neueren Kantinterpretationen von Prauss und Allison wird deshalb versucht, D.a.s. und Erscheinung nicht mehr als verschiedene Gegenstände, sondern als verschiedene Aspekte eines Gegenstandes aufzufassen.
TG
LIT:
- H. Allison: Transcendental Idealism. New Haven/London 1983
- M. Hossenfelder: Kants Konstitutionstheorie und die transzendentale Deduktion. Berlin/New York 1978. S. 4756
- G. Prauss: Kant und das Problem der Dinge an sich. Bonn 1974
- F. Rogerson: Kantian Ontology. In: Kant-Studien 84 (1993). S. 324
- P. F. Strawson: The Bounds of Sense. London 1966.