Erlebnisstrom
in der Phänomenologie Husserls der Gesamtzusammenhang der Erlebnisse des transzendentalen Ich. In der phänomenologischen Reduktion oder Epoché werden zunächst alle Existenzannahmen über die wahrgenommenen oder gedachten Gegenstände »eingeklammert«. Zurück bleibt ein reiner Strom von Erlebnissen, der nicht nur unmittelbar im Jetzt Wahrgenommenes und Erlebtes, sondern auch sog. Retentionen und Protentionen von Eindrücken enthält. So wird nicht nur in einem gegeben Augenblick eine Farbe wahrgenommen, sondern der E. enthält auch das immanente Bewusstsein, dass die vorherige Wahrnehmung ebenfalls die einer Farbe war, und die Erwartung »Farbe« für die unmittelbar folgende Wahrnehmung. Ähnliches gilt für alle »cogitationes«, so dass der E. einen vielschichtigen Verband von Rückschau und Vorwegnahme darstellt. Der E. bildet auf diese Weise eine zeitlich fortlaufende einheitliche Erfahrung, die notwendig auf ein Ich bezogen ist. Der Begriff des E.s ist ein Gegenentwurf zur skeptischsensualistischen These etwa im englischen Empirismus, dass der Erkenntnis nur unmittelbare Sinnesdaten oder deren erinnerte Abbilder gegeben seien, so dass ein einheitliches Ich philosophisch nicht begründet werden könne. – R. Carnap legt einen E. im Sinne Husserls seinem erkenntnistheoretischen Konstitutionssytem zugrunde.
VM
LIT:
- E. Husserl: Ideen zu einer reinen Phnomenologie I. Hua Bd. III. S. 166 ff
- W. Marx: Die Phnomenologie Edmund Husserls. Mnchen 1987. Kap. 3.