Evolutionstheorie
(Deszendenztheorie, Abstammungslehre, Selektionstheorie), Theorie über die Herkunft der zahlreichen unterschiedlichen Pflanzen und Tierarten einschließlich des Menschen, nach der die heute vorhandenen Formen im Verlauf der erdgeschichtlichen Entwicklung aus einfacher organisierten Vorfahren entstanden sind. – Damit steht die E. im Gegensatz zu Vorstellungen von der Unveränderlichkeit bzw. Konstanz der Arten, die von einem göttlichen Schöpfungsakt (oder mehreren) ausgehen (Kreationismus). Nach der E. vollzog sich über lange Zeiträume ein Artenwandel.
Die Vorstellung einer kontinuierlichen Entwicklung der Organismen hat bereits in der griech. Naturphilosophie erste Wurzeln (Empedokles, Demokrit, Anaximander v. Milet). Als eigentlicher Begründer der E. gilt J.-B. de Lamarck (Lamarckismus). Wissenschaftlich untermauert wurde die E. von Ch. Darwin mit der von ihm formulierten Selektionstheorie (Darwinismus). Die E. versucht, neben der Sammlung empirischer Belege für die Evolution und der Rekonstruktion der Stammesgeschichte, vor allem die Triebkräfte bzw. Faktoren des Evolutionsgeschehens zu ergründen. Nach der E. ist die biologische bzw. organismische Evolution durch zwei gekoppelte Prozesse gekennzeichnet, die Transformation und die Diversifikation. Transformation ist die »vertikale Komponente« der Evolution, die Veränderung der Anpassungen und das Entstehen neuer Organisationsformen in der Zeit, d.h. durch Umwandlung. Diversifikation dagegen bedeutet Vermannigfaltigung, verbunden mit unterschiedlicher Nutzung des Umweltangebots. Triebfeder für das Entstehen dieser Vielfalt ist die Konkurrenz sowohl innerhalb der Art, als auch zwischen den Arten. Haupttriebkraft der Evolution ist nach Ch. Darwin die Selektion. Evolution wird dadurch »gerichtet«, dass aus der Fülle genetischer Varianten diejenigen bevorzugt werden, die an die jeweiligen Bedingungen besser angepasst sind (»survival of the fittest«). Natürliche Auslese (Selektion) wird somit neben Mutation und Isolation zur basalen Triebfeder der Evolution.
In den vierziger Jahren des 20. Jh. wurde auf der Theorie Darwins aufbauend die »synthetische Theorie« begründet. Diese soll als eine »Synthese« zu einem entsprechenden Bild vom evolutiven Wandel der Organismen führen. Ergebnisse aus praktisch allen für die Evolutionsforschung relevanten Disziplinen finden hier ihren Niederschlag. Damit geht diese Theorie über Darwinismus und Neodarwinismus hinaus und kombiniert neben Selektion und Mutation eine Vielzahl von Faktoren, z.B. auch aus Molekulargenetik und Populationsbiologie, zu einem Erklärungsgefüge.
MK
LIT:
- F. M. Wuketits: Evolutionstheorien. Darmstadt 1988.