Gemeinschaft
das Miteinanderleben von Mitgliedern einer Gruppe, wobei hinsichtlich ihrer Werte, Normen oder Ziele eine wesentliche Übereinstimmung oder Einheit besteht, um gemeinsam oder füreinander handlungsfähig zu sein. In Abhängigkeit vom Kontext beschreibt der G.-Begriff (1) eine durch Sprechen oder Handeln bewirkte personale Verbundenheit einer Gruppe, (2) den Zustand des politischen Verbundenseins zu Institutionen, (3) juristisch das Verbandsverhältnis von Personen auf der Grundlage eines gemeinsamen Verhältnisses zu Sachen, oder (4) sozialphilosophisch zu allen sach- und zweckfreien Weisen menschlichen Zusammenlebens und (5) den Bereich von einer theologisch-metaphorischen Erweiterung einer G. mit Gott bis zur engsten Beschränkung einer rein personalen Bedeutung als Liebes-, Genossenschafts- und Freundschaftsbeziehung (Riedel). – Der Begriff der G. wird, wie der des Gemeinwesens, terminologisch von dem des Staates getrennt. In diesem Sinn prägt Tönnies durch seine Unterscheidung von G. und Gesellschaft die zwei Grundtypen menschlicher Soziabilität: Die G. als naturhaft gewachsener, wertbetonter Verband wird dem rationalen Zweckverbund gegenübergestellt. Diese z.T. ideologisch missbrauchte Dichotomie ist von der modernen Sozialphilosophie zugunsten einer differenzierten Betrachtung der Verbindung und Mischung beider Bereiche aufgegeben worden. – Neben der moralisch-politischen Bedeutung des Begriffs der G. lässt sich noch eine logisch-metaphysische Bestimmung ausmachen, die sich auf das Theorem der Ideen-G. (Platon), die ursprüngliche Zusammengehörigkeit der Teile eines Ganzen (Aristoteles), das prästabilierte System (Leibniz) oder die G. als Relationskategorie (Kant) beziehen lässt.
JP
LIT:
- R. Dahrendorf: Gemeinschaft und Gesellschaft. In: Ders.: Gesellschaft und Demokratie in Deutschland. Mnchen 51977. S. 136 ff
- M. Riedel: Gemeinschaft. In: HWPh. Basel/Stuttgart 1971
- F. Tnnies: Gemeinschaft und Gesellschaft. Leipzig 1887, Nachdr. Darmstadt 31991.