Gestalttheorie
durch Chr. v. Ehrenfels mit dem Artikel »Über Gestaltqualitäten« (1889) begründete Schule der Psychologie, die auch auf die Philosophie befruchtend wirkte. Die G. entstand als Gegenbewegung zur Assoziationspsychologie, die in der Tradition des britischen Empirismus komplexe Wahrnehmungen als Summe von einzelnen Sinnesdaten zu erklären versuchte. V. Ehrenfels setzte dem die Beobachtung entgegen, dass Gestalten sich wie eigenständige Qualitäten von Elementgruppen verhalten. In der Folge musste die Funktion von Gestalten in der Kognition erklärt werden. Die Grazer Schule der G., darunter Meinong, Höfler, Witasek und Benussi, entwickelte die sog. Produktionstheorie, wonach Gestalten auf der Basis der elementaren Empfindungen produziert werden müssen. Als experimentelle Bestätigung können die z.B. von Benussi untersuchten Gestaltwechselphänomene, wie etwa der Necker-Kubus gelten. Die Berliner Schule der G. mit ihren Hauptvertretern Wertheimer, Köhler und Koffka vertrat die Auffassung, dass Gestalten unmittelbar mit den Elementen wahrgenommen werden, bzw. diesen sogar primär sind. Als Bestätigung dafür diente u.a. das von Wertheimer nachgewiesene stroboskopische »Phi-Phänomen«: die Wahrnehmung einer Linienbewegung auf der Grundlage von zwei kurz aufeinander folgenden Lichtreizen. Die Weiterentwicklung der G. in verschiedenen, teils konkurrierenden, teils kooperierenden Schulen führte u.a. zur Entdeckung der sog. Gestaltgesetze der Wahrnehmung, die bestimmte universelle Organisationsprinzipien formulieren und heute fester Bestandteil der wissenschaftlichen Psychologie sind.
VM
LIT:
- Chr. v. Ehrenfels: ber Gestaltqualitten. In: Ders.: Gestalthaftes Sehen. Darmstadt 1960. S. 1143
- B. Smith: Foundations of Gestalt Theory. Mnchen/Wien 1988 (mit Bibliographie).