Hypokeimenon
(griech. Zugrundeliegendes), erstmals aus der Naturphilosophie der Vorsokratiker Anaximander (VS 12A9.16), Anaximenes (VS 13A5) u.a. als Grundlage von Welterklärung überliefert. Demokrit spricht von einem H. in der Sprache (VS 68A135), und Platon verwendet H. hier für erste Wörter, denen keine anderen zugrundeliegen (Kratylos 422d11), sowie bei der Frage nach dem Verhältnis von Namen und dem ihnen zugrundeliegenden Seinsbereich (Protagoras 349b4). In anderem Zusammenhang tragen bei Platon auch die drei Arten der Lust, die jeden Menschentypus auszeichnen (weisheitsliebender, streitlustiger, eigennütziger), den Begriff des H. (Staat IX 581c7). – An zentraler Stelle steht H. bei Aristoteles: (1) Im Kontext von Veränderungsprozessen spielt der Begriff des H. für das Woher und das Wohin von Werden und Bewegung eine wesentliche Rolle (Physik V1, 225a1 ff., Met. M11, 1067b15 ff.). (2) Im Rahmen einer Identifizierung mit Ousia (Wesen, Substanz) ist H. dasjenige, was jeder weiteren Bestimmung zugrundeliegt, oder das, »von dem das übrige ausgesagt wird, während es selbst von keinem anderen ausgesagt wird« (Met. Z3, 1028b 36–37). Damit ist, so Aristoteles an dieser Stelle weiter, das H. einerseits Hyle (Stoff oder Materie), sofern diese einer formhaften Gestalt zugrundeliegt oder eine solche aufnimmt (vgl. Met. Δ3, 1024b9), andererseits Morphe (Gestalt) selbst (Met. Z3, 1029a 2–3, vgl. 1042a 28–29), und schließlich das aus diesen Zusammengesetzte als Grundlage weiterer Formung und Bestimmung. (3) Darüber hinaus ist H., der späteren lateinischen Übersetzung »sub-iectum« entsprechend, logisches Subjekt einer Aussage, das dem von ihm Ausgesagten zugrundeliegt oder diesem vorausgeht (Physik I.6, 189a30): »Wenn etwas von etwas als seinem Subjekt ausgesagt wird, so muß alles, was von dem Ausgesagten gilt, auch von dem Subjekt gelten.« (Kategorien 3, 1b12; vgl. an. pr. I.1. 24b29).
CL
LIT:
- R. Boehm: Das Grundlegende und das Wesentliche. Den Haag 1965
- M. Frede/G. Patzig: Aristoteles Metaphysik Z. 2 Bde. Mnchen 1988
- W. Viertel: Der Begriff der Substanz bei Aristoteles. Meisenheim 1982.