Kontextualismus
im Gegensatz zum Universalismus stehende, auf die sog. pragmatisch-hermeneutische Wende in der ersten Hälfte des 20. Jh. zurückgehende relativistische Auffassung, nach der Sätze und Normen ihrem Sinn und ihrer Geltung nach von den jeweiligen kulturellen und geschichtlichen Kontexten abhängen, innerhalb derer sie auftreten. Da das Regelwissen, das der Verwendung und dem Verständnis von Äußerungen und Handlungsweisen zugrunde liegt, nur relativ zu einer eingespielten Lebenspraxis zu bestimmen sei, dürfe für nichts transkontextuelle, universelle Gültigkeit beansprucht werden. Der radikale K. (Rorty) misst Geltungsansprüche an der zufälligen faktischen Konsensbasis einer besonderen Sprachgemeinschaft bzw. »Lebensform«. Der gemäßigte K. versucht, eine universalistische Orientierung festzuhalten, indem er die Möglichkeit faktischer universaler »Minimalcharakterisierungen« des Vernünftigen unterstellt. Für beide Spielarten des K. stellt sich das Problem, dass sie nicht in einen Geltungsstreit mit dem Universalismus treten können, ohne implizit kontexttranszendierende, regulative Gültigkeitsideen (Wahrheit, Richtigkeit, idealer Konsens) vorauszusetzen und sich damit selbst zu widersprechen.
HGR
LIT:
- K.-O. Apel: Zurck zur Normalitt? In: Forum fr Philosophie Bad Homburg (Hg.): Zerstrung des moralischen Selbstbewutseins. Frankfurt 1988. S. 91142
- D. Bhler (Hg.): Die pragmatische Wende. Frankfurt 1986
- R. Rorty: Ironie, Kontingenz und Solidaritt. Frankfurt 1989
- H. Schndelbach: ber Rationalitt und Begrndung. In: Forum fr Philosophie Bad Homburg (Hg.): Philosophie und Begrndung. Frankfurt 1987. S. 6783
- A. Wellmer: Endspiele. Frankfurt 1993.