Kritizismus
ursprünglich auf Kant zurückgehende Form philosophischer Reflexion. Kant verwendet den Begriff K. nur sporadisch zur Standortbestimmung seiner Metaphysik-kritischen Philosophie jenseits von Dogmatismus und Skeptizismus. Bevor Metaphysik nicht auf ihre Möglichkeitsbedingung im Erkenntnisvermögen kritisch geprüft worden ist, ist jedem ihrer Sätze zu misstrauen (vgl. z.B. Akad.-Ausg. XX, 342; VIII, 226 f.). In der Kant-Rezeption des Deutschen Idealismus wird K. zumeist pauschal mit Kantianismus identifiziert. Erst der Neukantianismus differenziert zwischen der Kantischen Philosophie im engeren (»urkundlichen«) Sinne und dem K., indem er dessen Konzept erweitert. K. umschreibt jetzt generell eine auf transzendentale (nicht psychologische) Erkenntnisbegründung abzielende methodische Einstellung (A. Riehl). Sein Verfahren kritischer Prüfung betrifft nicht nur das Problem synthetischer Urteile apriori (Kant), sondern alle Voraussetzungen des Erkenntnisvermögens. – Heute meint K. nur noch eine allgemein prüfende Einstellung gegenüber vermeintlich selbstverständlichen Wissensbeständen in allen Bereichen menschlicher Erfahrung (»Kritischer Rationalismus«: K. R. Popper, H. Albert).
KHL
LIT:
- H. Albert: Traktat ber kritische Vernunft. Tbingen 1968
- G. Lehmann: Geschichte der nachkantischen Philosophie. Berlin 1931
- A. Riehl: Der philosophische Kritizismus. Leipzig 1876.