Leiden
quälendes subjektives Empfinden in der Erfahrung des körperlichen (dauerhafter Schmerz, Krankheit) oder seelischen Ausgeliefertseins (Gewalt, Versagung von Bedürfnissen und Wünschen). Menschliches L. ist stark vom Bewusstsein der Einschränkung oder des gänzlichen Scheiterns von Lebenserwartungen und Zielvorstellungen geprägt. Von daher lässt sich auch von einer Art »metaphysischen L.s« am Sein sprechen, das das endliche menschliche Leben insgesamt als leidvoll betrachtet, wie es etwa in den buddhistischen »vier edlen Wahrheiten« ausgesprochen ist (Buddhismus). Angesichts der Unausweichlichkeit des L.s stellte sich der christlichen Theologie die Frage nach der Rechtfertigung Gottes als Schöpfer der Welt (Theodizee). Die solidarische Erfahrung von L. bildet einen Antrieb zur Beherrschung der Natur (Technik, Medizin) und der Herstellung gerechter sozialer und politischer Lebensverhältnisse. – Bei Jaspers ist L. eine der Grenzsituationen, die den Menschen aus der vordergründigen Geborgenheit im Dasein werfen und ihn vor sein Selbstseinkönnen stellen. – In der Ethik kann das Maß der Leidensfähigkeit an Stelle von spezifisch auf den Menschen bezogenen Kriterien (z.B. Selbstbewusstsein) als handlungsnormierendes Prinzip herangezogen werden, das universal auf Lebewesen (Tierethik) anwendbar ist.
FPB
LIT:
- M.S. Dawkins: Leiden und Wohlbefinden bei Tieren. Stuttgart 1982
- S. Freud: Das Unbehagen in der Kultur. In: GW Bd. 14. Frankfurt 1948 u.
- K. Jaspers: Psychologie der Weltanschauungen. Berlin 1919, Mnchen 1985
- Ders.: Philosophie. Bd. 2. Berlin 1932, 41973
- A. Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vorstellung. Leipzig 1819/1844 (Smtl. Werke. Hg. A. Hbscher. Bd. II u. III. Wiesbaden 31972).