Theodizee
(griech. theos: Gott; dike: Recht), bezeichnet die von der Stoa und Gnosis versuchte, später v.a. von Leibniz (von dem auch dieser Begriff stammt) systematisch durchgeführte Rechtfertigung Gottes hinsichtlich des von ihm zugelassenen, aber nicht gewollten Übels in der Welt. Leibniz’ klassisches Werk zur Thematik der Th. sind die Essais de theodicée (1710), die die zentrale Frage behandeln, weshalb in der bestmöglichen Welt das Übel existiert. Die Th. enthält die Rechtfertigung Gottes als des gütigen Weltschöpfers angesichts des offenbaren innerweltlichen Übels und Bösen, deren Ursprung sie in der Freiheit der Geschöpfe sucht. Leibniz unterscheidet zwischen verschiedenen Arten des Übels und versucht zu zeigen, dass sie eigentlich keine Übel sind: Das metaphysische Übel besteht in der Kreatürlichkeit: Alles Geschaffene ist unvollkommen, denn sonst wäre es wie sein Schöpfer göttlich. Der Wunsch nach Aufhebung dieses Übels hieße, die Aufhebung der Schöpfung zu wünschen. Das physische Übel (z.B. Leid, Schmerz) rechtfertigt sich aus seiner Funktion: Es kann nützlich sein (z.B. Erhaltung des Individuums) oder als Strafe zur Besserung dienen. Das moralische Übel, d.h. die Sünde, lässt sich durch den Nachweis rechtfertigen, dass es Anlass des Guten werden kann; es ist die Folge der menschlichen Freiheit und der Grund für die christliche Erlösung der Menschheit. Entscheidend ist nach Leibniz, dass diese Übel nicht in erster Linie als Mängel zu deuten sind, sondern als Chance zur Vervollkommnung. Gott hat nicht das Böse an sich schaffen wollen, sondern allein die Menschen zerstören den Zustand des Paradieses. Die menschliche Freiheit besteht im vernunftgeleiteten, selbständigen Handeln des Individuums, weil nur so der göttliche Schöpfungsplan durchschaut und der Weg zur Vervollkommnung beschritten werden kann. Die Erkenntnis der Übel führt dazu, Gott nicht mehr wegen ihres Vorhandenseins anzuklagen, sondern verpflichtet vielmehr, die Welt zum Guten hin zu verändern.
RS
LIT:
- H.- G. Janen: Gott-Freiheit-Leid. Darmstadt 1988
- G.W. Leibniz: Die Theodicee von der Gte Gottes, der Freiheit des Menschen und dem Ursprung des bels (frz.-dt.). Darmstadt 1985
- W. Oelmller (Hg.): Theodicee. Gott vor Gericht? Mnchen 1990
- W. Sparn: Leiden, Erfahrung und Denken: Materialien zum Theodicee-Problem. Mnchen 1981.