Physikalismus
von Neurath eingeführte Bezeichnung für die Auffassung, dass die logisch-mathematisch strukturierte, mit raum-zeitlichen Parametern operierende Sprache der Physik diejenige Sprache sei, auf die sich alle anderen in den Einzelwissenschaften verwendeten Sprachen zurückführen ließen. Carnap, der auch von »methodischem Materialismus« spricht, spitzt diese Auffassung zu der »These von der Universalität der physikalischen Sprache« zu (1931, S. 449, 462), d.h., dass jeder sinnvolle Satz in die sowohl »intersensuale« wie »intersubjektive« Sprache der Physik übersetzt werden bzw. dass jeder Sachverhalt in ihr ausgedrückt werden könne. Zusammen mit der daraus ableitbaren »These von der Einheitswissenschaft«: »alle Sätze sind in einer Sprache ausdrückbar, alle Sachverhalte sind von einer Art, nach einer Methode erkennbar« (Carnap 1931, S. 432), bildet sie den Kern der »wissenschaftlichen Weltauffassung« des Wiener Kreises. Unabhängig von den besonderen semantischen und methodologischen Prämissen der Philosophie des Wiener Kreises, ist die Anwendung des physikalistischen Grundgedankens auf das Gebiet der Psychologie von außerordentlichem Einfluss auf die Entwicklung der analytischen Philosophie des Geistes gewesen. Im Rahmen der dort geführten Diskussionen um das sog. Leib-Seele Problem kommt der Ausdruck »Ph.« in zwei verschiedenen Bedeutungen vor. Einerseits bezeichnet er das Programm einer materialistischen Theorie des Geistes überhaupt. In diesem Fall wird er bedeutungsgleich verwendet mit dem Ausdruck »Materialismus«. Andererseits funktioniert er auch als Name für eine spezielle Form des Materialismus: die Identitätstheorie. Im einen wie im anderen Fall steht »Ph.« für eine bestimmte (Hypo-)These über die Natur mentaler Phänomene. In der Regel unterscheidet man: (a) den partikularen Ph. (token physicalism: Behauptet wird eine numerische Identität zwischen einzelnen Vorkommnissen von mentalen und physikalischen Phänomenen) vom generellen Ph. (type physicalism: Behauptet wird eine Identität zwischen mentalen und physikalischen Phänomenen überhaupt) und (b) den reduktiven Ph. (oder Materialismus): d.h. Varianten der These, dass mentale Phänomene nichts anderes seien als physikalische Phänomene, vom nicht-reduktiven Ph. (oder Materialismus): z.B. die Thesen des Funktionalismus oder des Anomalen Monismus.
BBR
LIT:
- P.Bieri (Hrsg.): Analytische Philosophie des Geistes. Knigstein/Ts. 1981
- R. Carnap: Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft. In: Erkenntnis Bd.2 (1931). S. 432465
- O. Neurath: Soziologie im Physikalismus. In: Erkenntnis Bd. 2 (1931). S. 393431.