Psychologismus
bezeichnet den Anspruch der (besonders seit dem 19. Jh. entwickelten) naturwissenschaftlich orientierten empirischen Psychologie, die Grundlagen des Denkens und Erkennens wissenschaftlich statt, wie bis dato, eher philosophisch-spekulativ zu eruieren. Danach ist Psychologie das systematische Rückgrad der Philosophie, speziell der Erkenntnislehre bzw. Logik (starke Version); oder sie ist das Allumfassende, so dass Logik zwar nicht auf Psychologie beruht, aber zu ihr gehört (schwächere Version; H. Lipps). Die Auseinandersetzung mit dem Ps. seitens der Philosophie verfolgt erstens die theoretische Intention der Reinerhaltung bzw. den Ausweis der Philosophie als strenger Wissenschaft und warnt vor »Gebietsvermengung« (E. Husserl), zum andern das wissenschaftspraktische Ziel der Erhaltung philosophischer Lehreinrichtungen. Der insbesondere von Anhängern transzendentalphilosophischer Orientierung gegen den P. erhobene Vorwurf lautet, er erkläre philosophische Erkenntnistheorie als vorläufig und suche, Allgemeingültigkeit der Erkenntnis durch deskriptiv erstellte empirisch-psychologische Gesetzmäßigkeiten der psychischen Funktionen oder Akte, d.h. subjektiv erlebter Tatsachen des Bewusstseins, zu ersetzen. Der Ps. scheitere zweifach, erkenntnisthoeretisch und gegenstandstheoretisch: In seiner besonderen Berücksichtigung der Tatsache des Erlebens wolle er Probleme der (rationalistischen) Erkenntnistheorie mit (empirisch-) psychologischen Mitteln lösen, verwechsle bzw. vertausche also Nicht-Psychologisches mit Psychologischem. In seiner »Erdenschwere« übersehe er überdies, dass Erkenntnistheorie nicht Vollzug der Erkenntnis, sondern Prüfung der Voraussetzungen sei. Ps. sei mithin »Psychologie am unrechten Ort« (R. Hönigswald). Die Deskription der Gegenstandsseite des Erlebens genüge auch nicht der Anforderung von Wissenschaft, nämlich Wissenschaft von der Möglichkeit des Gegenstandes (Gegenstandstheorie) zu sein.
WB
LIT:
- F. Brentano: Deskriptive Psychologie (1885 ff). Hamburg 1982
- E. Husserl: I. Logische Untersuchung (1900). Hua XVIII. Den Haag 1975
- R. Hnigswald: Grundfragen der Erkenntnistheorie. Tbingen 1931
- T. Lipps: Grundtatsachen des Seelenlebens (1883). Bonn 21912
- M. Rath: Der Psychologismusstreit. In: Psychologiegeschichte heute. Gttingen/Toronto/Zrich 1990. S. 112127.