Seelengrund
bzw. Seelenfunke, bezeichnet bei Eckhart die Tiefe und Innerlichkeit, d.h. das Wesen der menschlichen Seele. Im durch Abgeschiedenheit oder Gelassenheit zu erreichenden S. (lat. substantia bzw. scintilla animae, aliquid in anima) ist aber auch Gott »mit aller sîner gotheit« zu finden, denn »hie ist gotes grunt mîn grunt unde mîn grunt gotes grunt« (Deutsche Werke I, 162; 90). Diese originale Kongruenz bildet die ortlose Stätte der Gottesgeburt in der Seele, wo »ich der selbe sun und niht ein ander« bin (Deutsche Werke I, 72). Im unerschaffenen und unerschaffbaren S. sind aber Mensch und Gott ein einfaches Eines und zwar als Ich. Abstrahiert vom analogischen Verhältnis der Schöpfung und meinem Eigenen zugewandt, bin ich »sache mîn selbes«; sogar »daz got ˲got˱ ist, des bin ich ein sache« (Deutsche Werke II, 492; 504). Dieser in das Pronomen der 1. Person Singular transformierte Begriff der Causa sui bestimmt den S. in seiner radikalen Ununterschiedenheit von der unterschiedslosen Gottheit als universale Subjektivität. Sprachlich entspringt »S.« wohl dem gefühlsbetonten »herzen grunt« der höfischen Literatur, inhaltlich dem abditum mentis bei Augustin und dem Intellectus agens bei Dietrich von Freiberg.
OFS
LIT:
- B. Mojsisch: Meister Eckhart. Hamburg 1983.