Ambiguität
bezeichnet zunächst einen (referenziellen, semantischen oder auch syntaktisch bedingten) Mangel an sprachlicher Eindeutigkeit, auf die der Sprachgebrauch nach aristotelischer Überzeugung grundsätzlich abzielen sollte (Aristoteles: Met. 1006 a). Abgesehen von dieser, in der lateinischen Grammatik und Rhetorik explizit artikulierten privativen Bedeutung erhält der Begriff nach Kierkegaard einen positiven philosophischen Sinn unter Hinweis auf eine ontologische »Doppelnatur« oder »konstitutionelle Zweideutigkeit«, die dem Menschen als »un-natürlichem« Lebewesen eigne. Besonders H. Plessner arbeitet in seiner philosophischen Anthropologie mit Begriffen, die solche A.en zur Sprache bringen (»natürliche Künstlichkeit«, »exzentrische Positionalität«, »utopischer Standort« etc.). Angeregt von K. Goldstein und von gestaltpsychologischen Untersuchungen phänomenaler A. versteht Merleau-Ponty A. als »Wesensbestimmung menschlicher Existenz«, die unvermeidlich mit der Wahrnehmung und mit praktischem Verhalten einhergehe. Die A. wird der Wahrnehmung und besonders geschichtlichem Handeln selbst zugeschrieben, nicht einer schwankenden Begrifflichkeit. Demgegenüber liegt eine konzeptionelle A. vor, wenn etwa der Leib als weder rein körperliche noch auch rein geistige Realität oder als einerseits subjektiv erfahren, andererseits als objektiv vorliegendes Körperding beschrieben wird.
BL
LIT:
- S. de Beauvoir: Pour une morale de lambiguit. Paris 1961
- M. Merleau-Ponty: Die Abenteuer der Dialektik. Frankfurt 1974. S. 25, 50
- Ders.: Phnomenologie der Wahrnehmung. Berlin 1966. S. 383
- H. Plessner: Mit anderen Augen. Stuttgart 1982
- P. Ricur: Geschichte und Wahrheit. Mnchen 1974. S. 96 ff
- W. Ullrich: Grundrisse einer philosophischen Begriffsgeschichte von Ambiguitt. In: Archiv fr Begriffsgeschichte Bd. XXXII (1989). S. 121-169
- A. de Waelhens: Une Philosophie de lambiguit. Louvain 1967.