Augustinismus
Fortwirken der sich um eine Synthese von Philosophie und Theologie bemühenden Denkweise von Aurelius Augustinus (354–430) in MA. und Neuzeit. Der philosophische A. versucht, die Glaubensgehalte der christlichen Offenbarungsreligion mit Hilfe der v.a. (neu-)platonisch geprägten Philosophie zu erhellen und einsichtig zu machen. Insofern kommt der existentiellen (Glaubens-)Entscheidung ein Vorrang vor dem intellektuellen Erkennen zu (Anselm: Proslogion 1: »credo ut intelligam«). Dieser Primat des Glaubens vor dem Einsehen wird im MA. als Vorrang der Theologie vor der Philosophie gedeutet (Petrus Damiani: Opusculum 36, 5: Philosophie als »Magd«). Zentral für die Erkenntnistheorie des A. ist die Lehre von der Illumination, die aber von einzelnen Denkern (z.B. auf Grund aristotelischer Einflüsse) erweitert und modifiziert wird. Ähnliches gilt für metaphysische Grundannahmen: Augustins Lehre von den »samenhaft« wirkenden Formprinzipien (rationes seminales) wird mit einer arabisch-jüdische Theorien aufgreifenden Ontologie der aktuellen, körperlichen bzw. geistigen Materie kombiniert. Der ma. A. fand besonders im Franziskanerorden bedeutende Vertreter (Bonaventura, Johannes Peckham) und sah sich zunehmend als Gegenbewegung zum wiederentdeckten Aristotelismus (Albertus Magnus, Thomas v. Aquin). Die Auseinandersetzungen gipfelten 1277 in der Verurteilung aristotelischer Lehren durch den Bischof von Paris, was einer Stärkung augustinischer Positionen entsprach. In der Neuzeit begegnen zwar weniger ganze Systementwürfe aus dem Geist des A., doch finden sich immer wieder augustinische Denkmotive von Descartes (Augustins »Wenn ich mich täusche, bin ich«, De civitate Dei XI, 26, nimmt das cartesische »cogito ergo sum« gleichsam vorweg) über Pascal, Kierkegaard, Scheler bis G. Marcel.
JS
LIT:
- C. P. Mayer/W. Eckermann (Hg.): Scientia Augustiniana. Wrzburg 1975.