Etymologie
Lehre vom Ursprung und der Entwicklung der Wörter und ihrer Bedeutungen. Die E. sammelt schriftlich belegte sprachliche Formen und Bedeutungen von Wörtern aus allen Epochen verschiedenster Sprachen und rekonstruiert daraus früheste Sprachstufen und ihre semantische Motiviertheit. – In Platons Dialog Kratylos diskutieren zwei Sprachforscher mit Sokrates über die Entstehung von Namen und Benennungen. Ihr Blick richtet sich auf die Urformen der Wörter, deren Grundbedeutung als ihr »Wesen« erfasst werden soll. Dies wird zum anerkannten Prinzip der E., bis F. Schlegel 1808 eine neue Zielsetzung formuliert: Es soll die innere Struktur der Sprachen verglichen werden, um mögliche Verwandtschaften aufzuzeigen. Er legt Wert auf die historisch strenge Nachweisbarkeit der Untersuchungen und wirkt damit der sog. Volksetymologie entgegen. Diese versucht, aufgrund bloßer lautlicher Analogien die vermeintlich gemeinsame Herkunft von Wörtern in laienhafter Weise zu erschließen. – Der Däne R. Rask begründet erstmalig eine Lautlehre, die »Regeln für Buchstabenübergänge«, in seiner Untersuchung über den Ursprung der altnordischen oder isländischen Sprache (1818) und nimmt damit die Entdeckung der »ersten Lautverschiebung« durch J. Grimm vorweg. Sie wird von F. Bopp in einer Formenlehre systematisiert (Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache in der Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache, 1816). Der Vergleich von Konjugationsformen dient darin zum Nachweis von Sprachverwandtschaften. Mit der Deutschen Grammatik (1819) von J. Grimm und den Untersuchungen durch R. Rask und F. Bopp entsteht neben der E. eine diachrone nicht-normative Nachbardisziplin, die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft. Dass Sprache ein dynamisches System ist, das sich unter historischen und sozio-kulturellen Einflüssen ihrer Sprecher ständig wandelt, deutet A. F. Pott an. Er gilt als der Begründer der modernen wissenschaftlichen E. durch seine Publikation Etymologische Forschungen auf dem Gebiete der Indo-Germanischen Sprachen (1833-1836). Der Lautwandel wird von den sog. Junggrammatikern, die dem Positivismus nahestehen (z.B. A. Leskien), als gesetzmäßig angenommen. Seit der Erkenntnis des Bedeutungswandels ist das platonische Prinzip der Erschließung von Urbedeutungen außer Kraft gesetzt. Trotzdem erliegen noch immer Philosophen wie Heidegger der Versuchung, dieser Urbedeutung spekulativ nachzuspüren. – A. Schleicher etabliert das noch heute übliche Verfahren der Rekonstruktion von indogermanischen Wörtern oder Wurzeln aus belegten Wörtern anderer Sprachen.
KS
LIT:
- E. Seebold: Etymologie. Eine Einfhrung am Beispiel der deutschen Sprache. Mnchen 1981.