Regel,Goldene
Name eines Moralprinzips, das in beinahe allen Kulturbereichen und Religionen anzutreffen ist. Die G. R. wird in einer positiven und in einer negativen Form durch die Tradition vermittelt, während im alltagssprachlichen Kontext überwiegend die negative Form: »Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu!« zur Sprache kommt. Eine positive Formulierung der G. R. findet sich in der durch die Evangelisten Lukas und Matthäus übermittelten Bergpredigt von Jesus: »Alles nun, von dem ihr wollt, dass es die Menschen euch tun, das tut auch ihr ihnen; denn das ist das Gesetz und die Propheten!«. Der Gehalt der G. R. liegt in der Bestimmung eines Standpunktes, von dem aus über eine Handlungsweise gerecht geurteilt werden kann. Die Regel fordert einen in einer Handlungssituation sich Befindenden dazu auf, sich in einer Art Gedankenexperiment in die Situation oder an die Stelle dessen zu versetzen, der von der Handlung primär betroffen sein wird. In der gegenwärtigen Diskussion wird die G. R. als Verpflichtungssatz rekonstruiert: Wenn ich will, dass niemand in einer solchen Situation irgend jemand so behandelt, dann bin ich verpflichtet, in einer solchen Situation niemanden so zu behandeln (Hoche). Die G. R. formuliert damit ein für jede Sozietät grundlegendes Prinzip der Gegenseitigkeit.
PP
LIT:
- I. Craemer-Ruegenberg: Moralsprache und Moralitt. Freiburg/Mnchen 1975
- R. M. Hare: Freiheit und Vernunft. Frankfurt 1973
- H.-U. Hoche: Die Goldene Regel. Neue Aspekte eines alten Moralprinzips. In: Zeitschrift fr philosophische Forschung 32 (1978). S. 355 ff
- N. Hoerster: Utilitaristische Ethik und Verallgemeinerung. Freiburg/Mnchen 1971
- Ders.: R. M. Hares Fassung der Goldenen Regel. In: Philosophisches Jahrbuch 81 (1974). S. 186 ff
- M. G. Singer: Verallgemeinerung in der Ethik. Frankfurt 1975.