Hyle
(griech., urspr. Holz, (Schiffs-)Bauholz, später Stoff, Material; vgl. lat. materies = Bauholz). Erst Aristoteles gibt diesem Wort seinen philosophischen Sinn als Stoff(prinzip). Dass der Begriff der Sache nach schon vor ihm da war, zeigt er in seinem Rückblick auf seine Vorgänger in Met. I, 3: Die meisten Philosophen vor Sokrates kannten von den vier Ursachen, um deren Erkenntnis sich die Philosophie bemüht, überhaupt nur die Stoffursache, so, wenn Thales sagt, alles entstehe aus dem Wasser. Platon kennt z.B. das Holz als das, »worin« die Form, also etwa ein Weberschiffchen, vom Handwerker verwirklicht wird, als das, was die Form aufnimmt (Kratylos 390 b 2); ähnlich erscheint im Timaios das »Aufnehmende« als das zugrundeliegende Material. Für Aristoteles ist die H. eine der vier Ursachen alles Seienden. Alles Werdende wird (nach Met. 1032 a 12) entweder durch Natur oder durch Kunst oder von ungefähr. Alles Werdende aber wird durch etwas und aus etwas und zu etwas, d.h. es hat eine Ursache des Werdens, ein Material und ein Ziel der Entwicklung: Das natürliche Werden ist nun dasjenige, welches »aus der Natur« hervorgeht; dasjenige, woraus etwas wird, ist der Stoff (H.), das, wodurch es wird, ist etwas von Natur Seiendes, zu was es wird, ist ein Mensch, eine Pflanze »oder sonst etwas von dem, was wir im strengsten Sinne als Wesenheiten bezeichnen. Alles aber, was wird, sei es durch Natur, sei es durch Kunst, hat einen Stoff«. Im strengen Sinne ist H. etwas Unerkennbares: Die sinnliche Wahrnehmung erkennt Form im Stoff, die Vernunft überhaupt nur Form; es ist also nicht zu erwarten, dass Aristoteles einen klaren Begiff davon geben kann, was H. ist. Was die Neuzeit unter Materie versteht, also die Atome oder Kräfte oder Felder usw., wären nach griech.er Terminologie Formen, Strukturen, und nicht Materie oder Stoff. Materie ist deshalb für Aristoteles nur negativ bestimmbar, sie ist »das, was an sich weder als etwas noch als ein irgendwie großes noch durch irgendein anderes Prädikat bezeichnet wird, durch welches das Seiende bestimmt ist« (Met. 1029 a20). Der Begriff der H. findet seine Erweiterung in der H. noete (Met. 1036 a 10, 1037 a 4, 1045 a 34 f.). In ihrem weitesten Sinne ist die denkbare Materie das generische Element, das sowohl in Spezies wie in Individuen vorhanden ist, und von dem diese die Spezifikationen und Individualisierungen darstellen.
MSU
LIT:
- M. L. Gill: Metaphysics H 15 on Perceptible Substances. In: C. Rapp (Hg.): Aristoteles, Metaphysik. Die Substanzbcher (Z, H, ). Berlin 1996. S. 209 ff
- H. Happ: Hyle. Berlin 1971.