Mythos
bedeutet dem Wort nach Erzählung und wird in der Geschichte der Philosophie zumeist dem Logos in abwertender Bedeutung entgegengesetzt. M. kann sich nach Platon und Aristoteles der Wahrheit nur annähern (Gorgias 527a). Weil der M. uns etwas über Sachen und Bereiche mitteilt, die dem rationalen Diskurs (Logos) versperrt bleiben, wird ihm ein besonderer ethischer bzw. religiöser Wert zugesprochen. Erst viel später, in der Moderne, erlangt der M. seine Autonomie und wird dann als selbständige Lebens- und Denkform erforscht und ausgelegt. Nach G. B. Vico ist M. vera narratio und zeichnet sich durch seine Entstehungsgeschichte als fortdauernde Dimension der Weltgeschichte aus. Erneutes Interesse für den M. zeigt sich in der deutschen Frühromantik, die ihm eine hervorragende Rolle in der Poetik, aber auch in der Politik zuspricht (Herder, Schlegel). Zu dieser Zeit finden Forschungen und Sammlungen griechischer, indischer und nordischer Mythen statt, die dann in der Gründung der Mythologie als einer der Disziplinen der Altertumswissenschaft kulminieren (F. Creuzer). Den Höhepunkt der romantischen Mythosauffassung bildet Schelling, der im M. eine der Offenbarungen des Absoluten sieht. Im 20. Jh. wird der M. immer mehr im Zusammenhang mit der Rationalität reflektiert, sei es, um die Gefahr eines Verfalls im Mythischen des Aufklärungsprozesses zu beschwören (Horkheimer, Adorno), sei es, um dem M. innerhalb der Rationalität einen eigenen Stellenwert zu gewähren.
MBO
LIT:
- Th. W. Adorno/M. Horkheimer: Dialektik der Aufklrung. Frankfurt 1969
- H. Blumenberg: Arbeit am Mythos. Frankfurt 1979
- K.-H. Bohrer (Hg.): Mythos und Moderne. Frankfurt 1983
- E. Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen. 3 Bde. Berlin 1925
- F. Creuzer: Symbolik und Mythologie der alten Vlker. Bd. 14. Leipzig/Darmstadt 18371858
- G. B. Vico: Principi di una scienza nuova, 1725 (dt. Prinzipien einer neuen Wissenschaft. Hamburg 1990).