Repression
Terminus der Kritischen Theorie, die ihrem eigenen Anspruch nach eine doppelte Perspektive verfolgt: Einerseits die Kritik an den theoretischen und normativen Konstrukten zur Interpretation der gesellschaftlichen Wirklichkeit, andererseits eine immanente Kritik an der Wirklichkeit selber, indem sie diese an ihren eigenen Ansprüchen vor dem Hintergrund der tatsächlichen sozialen Verhältnisse bemisst. Die Kritik an den theoretischen Konstrukten konkretisiert sie an den Vorgaben des modernen Wissenschaftsschaftsver-ständnisses, die durch den Maßstab der Gesetzesmäßigkeit und der Quantifizierung die Wirklichkeit auf den Gesichtspunkt der Berechenbarkeit reduziert. Eine Sozialwissenschaft, die nach diesen Maßstäben einer instrumentellen Vernunft verfährt, reduziert das menschliche Subjekt auf ein manipulierbares Objekt, das sich den Maßstäben des Berechenbaren zu fügen hat. Der Begriff der R. bemisst sich an dem damit einhergehenden Verlust von Subjektivität. Die immanente Kritik formuliert Marcuse in der Kritik der repressiven Toleranz. Er unterscheidet diese von der befreienden Toleranz, um seine Vorstellung einer humanen Gesellschaft von der kritisierten abzugrenzen. Das Telos von Toleranz ist Wahrheit, und die Wahrheit, an dem sich die Toleranz zu messen hat, ist die Autonomie des Individuums. Die intersubjektiv vermittelte autonome Freiheit des Einzelnen bildet den Maßstab der befreienden Toleranz. Die repressive Toleranz führt im Gegensatz dazu zu einer unzulässigen Neutralisierung der Gegensätze. Die scheinbar unparteiische Toleranz akzeptiert gesellschaftliche Zustände der Ungleichheit, die vom Standpunkt der Humanität aus gesehen nicht akzeptabel sind. Dadurch verkörpert sie das konservative Interesse an der Festschreibung der etablierten Verhältnisse und verhindert die Schritte zur gesellschaftlichen Veränderung.
PP
LIT:
- H. Marcuse: Repressive Toleranz. In: R.P. Wolff/B. Moore/H. Marcuse (Hg.): Kritik der reinen Toleranz. Frankfurt 1970. S. 91 ff.