Säkularisierung
im ursprünglichen Sinne ein rechtlich-politischer Begriff, der die vom 16. bis 19. Jh. erfolgte staatliche Einziehung von Vermögen, Gegenständen, Territorien oder Institutionen aus kirchlichem Besitz bezeichnet. Als kulturphilosophischer Begriff meint er die Kritik der Aufklärung an religiösen Weltbildern als letzte Erklärungs- und Autoritätsinstanz. S. wird hier als Entzauberung der christlichen Religion verstanden, weil sowohl die modernen (Natur-)Wissenschaften als auch die großen politischen Ideologien des 19. Jh. nunmehr den kollektiven Weltlauf und den individuellen Lebenslauf erklären sollen. Die politischen Ideologien übernehmen nun von der Religion die Funktion als Erlösungs- und Heilslehren. Die Theorie der Postmoderne intendiert im 20. Jh. nochmals einen Säkularisierungsschub, indem die großen Erlösungvostellungen und »Meta-Erzählungen« vom vernünftigen Fortschritt, umfassenden Wohlstand und klassenloser Gleichheit verworfen werden. Im alltagspolitischen Sinne bedeutet Säkularisierung heutzutage die strikte Trennung von Staat und Kirche, aber keineswegs eine anti-religiöse Gesellschaft. So wird beispielsweise in der Präambel des Grundgesetzes auf die »Verantwortung vor Gott« Bezug genommen. Grundsätzlich gilt aber, dass säkularisierte Gesellschaften Sinnfindung und Selbstbehauptung individualisiert haben.
RP
LIT:
- P. L. Berger: Der Zwang zur Hresie. Religion in der pluralistischen Gesellschaft. Frankfurt 1980
- H. Blumenberg: Skularisierung und Selbstbehauptung. Frankfurt 1974.