Wertephilosophie,Werteethik
Thematisch eingeführt wird der Wertbegriff von Lotze durch die Forderung, die reine Kausalbetrachtung der Welt als Mechanismus müsse durch die »ideale Ausdeutung ihres Wertes« ergänzt werden. Seinem teleologischen Idealismus entsprechend unterstellt er, dass ein solcher Mechanismus über seine Funktionalität hinaus einen Sinn im Gesamtzusammenhang der Welt zu erfüllen hat. Im Neukantianismus wird die Philosophie als eine Wissenschaft von Werten interpretiert. Windelband bestimmt die Werthaftigkeit in Beziehung auf ein wertendes Bewusstsein. Logische, ästhetische und ethische Werte entsprechen den menschlichen Seelentätigkeiten. Rickert sieht in der Wertproblematik das zentrale Problem der Philosophie. Er weist darauf hin, dass Sinnprobleme auf allen Gebieten nur durch Deutung aufgrund einer Wertlehre, nicht aber durch Beschreibung und Erklärung des Psychischen behandelt werden können. Werte stellen weder objektive Gegebenheiten dar, noch lassen sie sich auf subjektive Wertungen reduzieren. Die Wertlehre begründet die Kulturphilosophie, denn die Kultur stellt eine »wertbehaftete Wirklichkeit« dar. Die Kultur eröffnet sich dem Betrachter erst als Wirklichkeitsbereich von Werten. – Scheler und N. Hartmann entwickeln eine W. Bei Scheler kommen in den Gefühlen die Werte als echte und wahre Qualitäten bzw. als »ideale Objekte« zur Selbstgegebenheit. Werterkenntnis vollzieht sich als Vorziehen und Zurücksetzen, als Höher- und Niedriger-Einstufung. In solchen Akten erfährt der Mensch die Rangordnung der Werte. Seine Kritik an Kants Formalismus in der Ethik führt zu der Annahme des Apriori-Materialen in der Ethik, die sich in den apriorischen Rangbeziehungen der Wertmodalitäten bekunden. Scheler führt vier Modalitätskreise an: die sinnlichen Werte des Angenehmen und Unangenehmen, die durch die Lust- und Schmerzgefühle erlebt werden; die Werte des vitalen Fühlens des Edlen, des Gemeinen und des Wohls; die geistigen Werte des Schönen und Hässlichen, des Rechten und Unrechten sowie der Wahrheitserkenntnis; die Werte des Heiligen. N. Hartmann teilt mit Scheler die Ansicht, dass Werte nicht nur formale Gebilde darstellen, sondern Inhalte, die eine bestimmte Qualität an Dingen, Verhältnissen und Personen ausmachen: neben dem Subjekt anhaftende Werte die Güterwerte, die sittlichen Werte und die Personen- oder Tugendwerte.
PP
LIT:
- N. Hartmann: Ethik. Berlin 21935
- H. Lotze: Metaphysik. Leipzig 1841
- H. Rickert: Unmittelbarkeit und Sinndeutung. Tbingen 1939
- M. Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. Bern 51954
- H. Schndelbach: Philosophie in Deutschland 18311933. Frankfurt 1983. S. 205 ff
- W. Windelband: Einleitung in die Philosophie. Tbingen 1914.