Geschlechterdifferenz
auch sexuelle Differenz, ein zentraler Begriff der feministischen Philosophie. Für Fragen nach der G. sind zwei grundlegende Gesichtspunkte zu unterscheiden: (1) der Zusammenhang von Geschlecht und Identität sowie die Bedeutung des kulturellen oder sozialen Geschlechts (sex/gender). (2) der Stellenwert der Unterscheidung von männlich/weiblich. »Die sexuelle Differenz stellt eine der Fragen oder die Frage dar, die unsere Epoche zu denken hat« (Irigaray). Zugrunde liegt die Beobachtung, dass die Tatsache, dass der Mensch in der Regel entweder Frau oder Mann ist, auf traditionelle philosophische Ansätze keine nennenswerten Auswirkungen hatte. Dem soll ein Denken entgegengesetzt werden, das die Geschlechtlichkeit als ein ebenso wichtiges Merkmal des Menschlichen versteht wie Sprachbegabtheit und Sterblichkeit. Dabei ist es durchaus strittig, wie auf Geschlecht und G. zu referieren ist. Ansätze, die mit einer Unterscheidung von männlich/weiblich arbeiten, sehen sich dem Verdacht ausgesetzt, herkömmliche Klischees über die G. bloß zu reproduzieren. Gibt es einen natürlichen Rest dessen, was Geschlecht bestimmt, oder verdankt sich unser Wissen über G. insgesamt ausschließlich kultureller Vermittlung? Ist die G. eine zu entdeckende oder eine zu produzierende Differenz, stellt die italienische Philosophinnengruppe Diotima zur Debatte. Dieser Frage geht die feministische Essentialismusdebatte weiter nach. Am radikalsten stellt Butler die Trennung von sex/gender infrage und entwickelt damit die Unterscheidung weiter, die zu dem Zweck getroffen wurde, die Beschränkung der Frau auf ihr natürliches Geschlecht zu kritisieren. Gegnerinnen dieser Position monieren, dass in ihr der Bezug auf den körperlichen Aspekt der G. zu kurz komme.
BES
LIT:
- J. Butler: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt 1991
- Diotima, Philosophinnengruppe aus Verona: Der Mensch ist zwei. Denken im Spannungsfeld der sexuellen Differenz. Wien 1989
- C. Honegger: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib. Frankfurt/New York 1991
- L. Irigaray: Die Ethik der sexuellen Differenz. Frankfurt 1991
- A. Maihofer: Geschlecht als Existenzweise. Macht, Moral, Recht und Geschlechterdifferenz. Knigstein 1995.