Logizismus
in der Philosophie des späten 19. Jh. eingeführter Begriff. (1) L. bezeichnet in der mathematischen Grundlagenforschung die Auffassung, dass die Mathematik eine höher entwickelte Logik sei. Insbesondere sollen die mathematischen Termini durch logische definierbar und alle mathematischen Sätze aus logischen Axiomen deduzierbar sein. Das bereits von Leibniz vorgeschlagene Programm, das im Rahmen der Characteristica universalis steht, wurde von Frege systematisch entwickelt und durchzuführen versucht. Eine von Russell im Frege’schen System entdeckte Antinomie führte zum Zusammenbruch des Frege’schen Entwurfs und als Lösungsversuch zur Entwicklung der Typentheorie durch Russell und Whitehead. Trotz fehlendem Nachweis der Widerspruchsfreiheit wurde der L. von Carnap und mit Einschränkungen von Quine weiter vertreten. (2) In der Erkenntnistheorie wurde der Begriff L. von Wundt als Gegenbegriff zum sog. Psychologismus verwendet. Während der Psychologismus alles Wissen auf unmittelbare Erfahrung zu reduzieren versucht, betont der L. den durch Reflektion erkennbaren logischen Zusammenhang der Erscheinungen. Als Befürworter des L. gelten Brentano, Frege und Husserl, als Psychologisten vor allem Wundt und Mill. Kennzeichen des L.’ Freges ist insbesondere die Anerkennung selbständiger logischer Gegenstände und eines »dritten Reichs« der Gedanken. Diesen Aspekt teilt Frege mit dem Neukantianismus etwa bei Rickert und Bauch.
VM
LIT:
- zu (1): G. Frege: Die Grundlagen der Arithmetik. Breslau 1884
- Ders.: Grundgesetze der Arithmetik I und II. Jena 1893/1903
- W.V.O. Quine: Ontological Reduction and the World of Numbers. In: The Ways of Paradox and Other Essays. Cambridge Mass./London 1976. S. 212220
- zu (2): H. Sluga: Gottlob Frege. London/Boston 1980. S. 864.