Theorie
(griech. das Anschauen, wissenschaftliche Betrachtung), ursprünglich die geistige Schau dessen, was der Wahrnehmung nicht zugänglich ist, später die reine Erkenntnis und das systematisch geordnete Wissen. Th. als Gegensatz zu Praxis ist das reine Wissen ohne Rücksicht auf seine Anwendung, mitunter auch pejorativ gemeint (»bloße Th.«). Stellt man Th. in Gegensatz zu Empeiria und Erfahrung, so ist sie das durch reines Denken gewonnene Wissen. Heute meist eine systematisch geordnete, oft reich strukturierte, deduktiv zusammenhängende Sammlung von zumeist gesetzesartigen Aussagen über einen bestimmten Gegenstandsbereich. Umfangreichere Th.n entstehen durch Zusammenschluss von Einzelgesetzen, Hypothesen und kleineren Th.n zu Erklärungssystemen von immer größerer Reichweite. – In strukturalistischer Sicht ist eine Th. keine Menge von Aussagen, sondern eine komplexe Hierarchie von Modellen und beispielhaften Anwendungsfällen. – In der modernen Logik ist Th. eine deduktiv abgeschlossene Satzmenge, d.h. dass jede Folgerung aus Sätzen einer Th. wieder zu dieser Th. gehört. Kann man alle Sätze einer Th. aus einer aufzählbaren Teilmenge dieser Sätze folgern, so heißt die Th. axiomatisierbar. Die Sätze dieser Teilmenge heißen dann die Axiome, die daraus ableitbaren Sätze die Theoreme dieser Th.
VP
LIT:
- I. Kant: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht in der Praxis (1793)
- W. Leinfellner: Struktur und Aufbau wissenschaftlicher Theorien. Wien/Wrzburg 1965
- Ders.: Die Entstehung der Theorie. Freiburg/Mnchen 1966
- W. Stegmller: The Structuralist View of Theories. Berlin/Heidelberg/New York 1979.