Transzendentale Ästhetik
bei Kant im Zusammenhang der Kritik der reinen Vernunft die Lehre von der Sinnlichkeit (aisthesis: Wahrnehmung, Anschauung) und ihren reinen Formen, Raum und Zeit, als Formen der »Rezeptivität des Gemüths« im Hinblick auf deren Funktion als formale Bedingung der Möglichkeit (»transzendentale Bedingung«) von empirischer Erkenntnis überhaupt sowie von deren Gegenständen. Die Tr.Ä. ist Teil der Transzendentalen Elementarlehre der Kritik der reinen Vernunft und enthält die Grundlagen für die Einführung der kritischen Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung. Gegenstand einer objektiv gültigen empirischen Erkenntnis kann für Vernunftwesen wie Menschen nur das sein, was sich zeitlich datieren und/oder räumlich lokalisieren lässt. Als solches, z.B. als Gegenstand empirischer Alltagsoder wissenschaftlicher Erkenntnis, unterliegt es notwendig den subjektiven Bedingungen der »reinen Formen einer möglichen Anschauung« – Zeit und Raum –, denn nur unter diesen Bedingungen kann uns etwas als Gegenstand empirisch gültiger Erkenntnis »gegeben« werden. Eine Erkenntnis, wie Gegenstände unabhängig von dieser Bedingung beschaffen sein mögen, ist für Vernunftwesen wie Menschen keine mögliche Erkenntnis. – Als apriorisches Konstrukt eines philosophischen Systementwurfs steht die Tr. Ä. in spannungsreicher Beziehung zu grundlegenden Ergebnissen des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts (nicht-euklidische Geometrien, Relativitätstheorie, Quantenmechanik). Im Umkreis der Protophysik sind Reformulierungsversuche – »Protophysik von Raum und Zeit« – unternommen worden; erfahrungstheoretische Ansätze aus dem Bereich der Analytischen Philosophie haben zu »nüchternen« Modellen des Verhältnisses von Begriff und Anschauung, raumzeitlichen Einzeldingen und Erkenntnis geführt.
MN
LIT:
- G. Bhme (Hg.): Protophysik. Frankfurt 1976
- J. Ebbinghaus: Kants Lehre von der Anschauung a priori. In: G. Prauss (Hg.): Kant. Kln 1973. S. 4461
- I. Kant: Kritik der reinen Vernunft (Akad.-Ausg. Bd. III)
- P.F. Strawson: Individuals. London 1959 (dt.: Einzelding und logisches Subjekt. Stuttgart 1972)
- Ders.: The Bounds of Sense. London 1966 (dt.: Die Grenzen des Sinns. Frankfurt 1992).