Atheismus
in einem weiten Sinne die Verneinung der Existenz transzendenter, der Sinneserfahrung oder Vernunfteinsicht nicht zugänglicher Mächte sowie die Ablehnung von Weltanschauungen, die diese zugrundelegen. In einem engeren Sinn die Leugnung eines persönlichen Gottes, so dass auch bestimmte Naturoder Hochreligionen als atheistisch gelten können (z.B. Buddhismus). – Der A. kann erkenntnistheoretisch begründet sein mit dem Aufweis der Unmöglichkeit oder Sinnlosigkeit von Aussagen über die Existenz eines absoluten Wesens. Er kann die Entstehung von Gottesvorstellungen auf psychologische, soziologische oder kulturgeschichtliche Bedingungen zurückführen und diese so als jeweilig motiviertes menschliches Produkt zu entlarven suchen. Er kann moralisch argumentieren und in der Religion einen Ausdruck von Unmündigkeit und Unwissenheit sehen, der der Fortentwicklung des Menschen hinderlich ist.
Erste Ansätze eines A. zeigen sich bereits bei den Vorsokratikern und Sophisten. Kritias sieht in den Göttern eine Erfindung zur Aufrechterhaltung der moralischen und staatlichen Ordnung. Prodikos erblickt in ihnen eine Projektion menschlicher Wünsche. – Die im Zeitalter der Aufklärung theoretisch fundierte Religionskritik bildet die Grundlage für den neuzeitlichen A. Der frz. Materialismus (La Mettrie, d’Holbach) will mit wissenschaftlich begründeter Erkenntnis gegen den religiösen Irrationalismus angehen und sieht in der Religion die Ursache für gesellschaftliche Missstände. Für L. Feuerbach ist der Gottesbegriff die Projektion der Wesenseigenschaften des Menschen auf ein anderes vorgestelltes Wesen: »Das Bewußtsein Gottes ist das Selbstbewußtsein des Menschen, die Erkenntnis Gottes die Selbsterkenntnis des Menschen« (Das Wesen des Christentums, 2. Kap.). Im Anschluss an Feuerbach konstatiert Marx, dass die Kritik der Religion in die der gesellschaftlichen Verhältnisse übergehen müsse, um eine Veränderung der auf der Ausübung der Religion beruhenden Gesellschaftsstrukturen zu erreichen. Im atheistischen Existentialismus Sartres ist die Nichtexistenz Gottes Voraussetzung dafür, dass der Mensch, frei von vorgängigen Sinnbestimmungen, sein eigenes Sein erst selbst entwirft und gestaltet.
FPB
LIT:
- L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums. Leipzig 1841
- P. Th. dHolbach: Systme de la nature. London 1770 (dt. System der Natur. Frankfurt 1978)
- H. Ley: Geschichte der Aufklrung und des Atheismus 15. Berlin 19661986
- K. Marx: Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie (MEW 1). Berlin 1956
- F. Mauthner: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande I-IV. Stuttgart/Berlin 192023.