Konstitutionssystem
der systematische Zusammenhang von Aussagen und Begriffen, der dadurch hergestellt wird, dass alle Begriffe (einer Wissenschaft) auf einige wenige Grundbegriffe zurückgeführt werden. Es stellt ein Ordnungssystem dar, in dem die Gegenstände bzw. Begriffe der jeweils höheren Stufe aus den Gegenständen bzw. Begriffen der jeweils niederen konstituiert werden können. In einem K. soll jeder Begriff einen bestimmten Platz erhalten und aus gewissen Grundbegriffen alle übrigen Begriffe abgeleitet werden können. Eine allgemeine Übersetzungsregel (d.i. konstitutionale Definition) gibt an, welche Begriffe (bzw. Aussagen, die diese Begriffe enthalten) zu ersetzen sind durch grundlegendere, d.h. nicht weiter definierbare Begriffe. – Carnap unternahm in seinem Werk Der logische Aufbau der Welt erstmals den Versuch, sämtliche empirischen Begriffe in einen systematischen Ableitungszusammenhang zu bringen. Gemäß dem Grundprinzip des Logischen Empirismus wird die Basis des K. so gewählt, dass sich die undefinierten Grundbegriffe auf unmittelbar Aufweisbares, also auf erlebnismäßig Gegebenes beziehen. Eine solche Basis sieht Carnap im eigenpsychischen Erleben eines Subjekts (Solipsismus), d.h. das tatsächlich Erlebte bildet die Grundlage. Neben den Elementarerlebnissen als Grundelementen wird als Grundrelation des K. die Relation der Ähnlichkeitserinnerung angegeben, d.h. die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen mehreren Elementarerlebnissen. Im systematischen Aufbau wird nur diese Grundrelation als Grundbegriff eingeführt, da die Klasse der Elementarerlebnisse als Bereich dieser Relationen definiert werden kann. Auf diese Weise lassen sich Ähnlichkeitskreise von Elementarerlebnissen bilden. Sämtliche empirischen Begriffe sollen auf diesen Begriff der Ähnlichkeitserinnerung zurückgeführt werden. Das K. ist eine rationale Nachkonstruktion des gesamten, in der Erkenntnis vorwiegend intuitiv vollzogenen Aufbaus der Wirklichkeit. Carnap sieht mehrere Stufen der Konstitution, die auf dem Eigenpsychischen aufruhen, vor: (1) die Wahrnehmungswelt (der objektive physische Raum der wahrnehmbaren Dinge, die objektive Zeit, der eigene Leib als Tast- und Seh-Ding); (2) die physikalische Welt; (3) die Welt des fremden Bewusstseins (der Leib des anderen und die Ausdrucksbeziehungen, die Welt des Mitmenschen); (4) die Welt der geistigen und kulturellen Gegenstände (Gesellschaft, Wirtschaft, Recht, Werterlebnisse).
PP
LIT:
- R. Carnap: Der logische Aufbau der Welt. Frankfurt/Berlin/Wien Nachdr. 1979
- R. Haller: Neopositivismus. Darmstadt 1993. S. 179 ff
- V. Kraft: Der Wiener Kreis. Der Ursprung des Neopositivismus. Wien 1950. S. 77 ff
- W. Stegmller: Hauptstrmungen der Gegenwartsphilosophie. Stuttgart 41969. S. 387 ff.