Matriarchat
Der ältere Begriff Mutterrecht wurde von J. J. Bachofen durch seine gleichlautende Veröffentlichung 1861 geprägt. Seine Theorien lösten Diskussionen und Forschungen in verschiedenen Disziplinen aus. Sie sind inzwischen allerdings weitgehend überholt. Heute wird Mutterrecht meist als Synonym für den Begriff M. verwendet. Das ist problematisch, da durch den Begriff Mutterrecht nur einzelne – rechtliche – Bereiche des Phänomens M. abgedeckt werden. Wird M. als politisches M. definiert, und zwar nach den Kriterien einer patriarchalen Gesellschaft, ist die Existenz von M.en fraglich (H. Zinser, U. Wesel). Sinnvoller ist eine Definition, die von den Strukturen von Gentilgesellschaften, bzw. Gesellschaften, in denen Frauen eine kulturbestimmende Rolle haben, ausgeht. Bei der Bestimmung von einer Gesellschaft als M. ist es entscheidend, welche Bedeutung der betreffende Autor den unterschiedlichen politischen, religiösen und familiären Bereichen und ihren Rollen, sowie direkter Macht und indirekter Einflussnahme beimisst. Dabei werden häufig die Bewertungen der eigenen, patriarchal geprägten Kultur auf die fremde Kultur übertragen. Ein weiteres Problem besteht darin, die Veränderungen durch Einflüsse des patriarchal geprägten Umfeldes von den ursprünglichen Strukturen zu unterscheiden. Auf matriarchale Strukturen weisen folgende Phänomene hin: Matrilinearität, d.h. die Kinder gehören zur mütterlichen Sippe, die (jüngste) Tochter beerbt die Mutter als Sippenoberhaupt. Matri- oder Uxorilokalität, d.h. der Wohnsitz richtet sich nach der Mutter bzw. nach der Ehefrau. Das Sippenoberhaupt ist weiblich, ihr Bruder steht ihr als Delegierter bei, oder weiblich/männliche Doppelregentschaften in Königtümern. Männer haben die Rolle von administrativen Delegierten, bzw. sind ihren Müttern, Tanten oder Schwestern als Sippenoberhäuptern oder Hohen Priesterinnen Rechenschaft schuldig. Weibliche Priester/Schamanen oder männliche, die in ihren rituellen Handlungen von Frauen abhängig sind. Ein Wiedergeburtsglaube, in dem die Frauen die verstorbenen Ahnen der Sippe wiedergebären. Die wichtigsten Götter sind weiblich, einschließlich des Kosmos und der Urahnin, die als erste Göttin gilt.
DL
LIT:
- J. J. Bachofen: Das Mutterrecht. Hg: H. J. Heinrichs. Frankfurt 1975
- S. Distler: Mtter, Amazonen Dreifltige Gttinnen. Wien 1989
- H. Gttner-Abendroth: Das Matriarchat. Bde 1 und 2, 1. Stuttgart 1988 u. 1991
- B. Wagner-Hasel (Hg.): Matriarchatstheorien der Altertumswissenschaft. Darmstadt 1992
- U. Wesel: Der Mythos vom Matriarchat. Frankfurt 1980.