Anamnesis
(griech. Wiedererinnerung), bezeichnet in der Erkenntnismetaphysik Platons den Vorgang der Wiedererinnerung an das Wissen von den Ideen (Eidos). Die Ideen als die ewigen Formen und Urbilder des Seienden sind die apriorischen Erkenntnisinhalte der Seele. Da nach Platon das Wissen um den unwandelbaren und vollkommenen Urgrund nicht aus der Sinneswahrnehmung stammen kann, muss die Erkenntnis der Ideen erfahrungstranszendent sein. In teils mythischer Beschreibung bezieht sich Platon daher auf eine Präexistenz der Seele, in der sie das Wissen um die Ideen in rein geistiger Schau erworben hat. Auf diese Vorstellung dürften orphische und pythagoreische Quellen Einfluss genommen haben. Die Aufgabe der Philosophie besteht darin, die Seele im stufenweisen Fortschreiten (Liniengleichnis, Höhlengleichnis) von der Verhaftung an die Sinnlichkeit zu lösen und zur reinen Schau (Wiedererinnerung) der Ideen zu führen. Der Vorgang des Lernens wird somit von Platon ebenfalls nicht als ein Übermitteln von Fakten verstanden, sondern als Wiedererinnerung an apriorische Erkenntnisinhalte, wozu der Lehrer nur helfend den Anstoß geben kann. In der Vorstellung des Lernens als A. (Menon) verbinden sich so die sokratische Mäeutik mit der platonischen Ideen- und Seelenlehre.
FPB
LIT:
- Platon: Menon, Phaidon, Phaidros
- C. E. Huber: Anamnesis bei Plato. Mnchen 1964