Genetische Epistemologie
von J. Piaget begründete Theorie des wissenschaftlichen Erkennens mit der Absicht, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie als Wissenschaft ohne Philosophie zu betreiben. Die Methode der g.n E. ist die Untersuchung der Entwicklung der Erkenntnisstrukturen in der Ontogenese durch entwicklungspsychologische Experimente, wobei für Piaget der Übergang von organischen zu Erkenntnisstrukturen fließend ist. Für die Erklärung der Veränderungen in den kognitiven Strukturen benutzt die g.E. Termini wie Äquilibration und Selbstorganisation, die evolutionistisch, regulativ geprägt sind. Kennzeichnend für die g.E. ist der genetische Strukturalismus: Eine Struktur wird durch Konfrontation mit der Außenwelt an diese akkomodiert, assimiliert diese aber auch gleichzeitig in sich, woraus neue Strukturen entstehen, die jedoch nicht vollkommen neu sind, sondern die Rahmenstrukturen von ihren Vorgängern übernehmen. Ausgehend von der organischen Konstitution gelangt das Individuum über die sensomotorische Intelligenz, das präoperatorische Denken und die konkreten Operationen zu den logisch-mathematischen Strukturen, die als geschlossene Endstrukturen in den formalen Operationen durch ihre Reversibilität Notwendigkeit erreicht haben. Dabei ist zu beachten, dass Intelligenz in der g.n E. kein absoluter Begriff ist, sondern immer nur auf die jeweilige Entwicklungsstufe bezogen betrachtet werden darf. Erkenntnis ist in der g.n E. eine Handlung, verwandt mit der Aktivität des Organismus. – Mit dieser Entwicklung beansprucht die g.n E., den als statisch bezeichneten Apriorismus Kants durch eine Entwicklung der reinen Verstandesbegriffe zu ersetzen. Hier läuft das Apriori-Verständnis der g.n E. aber an Kant vorbei. Vielmehr handelt es sich um eine Strukturgenese, bei der die reinen Verstandesbegriffe immer als Rahmenstrukturen die höheren Strukturen bedingen.
JSC
LIT:
- J. Piaget: Abri der genetischen Epistemologie. Olten 1974.