Mitleid
ein auf den Mitmenschen gerichtetes Gefühl, das von dessen Leiden inspiriert ist mit dem Ziel zu helfen; Zentralbegriff der Ethik, der ebenso in der indischen Philosophie und Religion auftaucht wie in der griech. Antike anhaltend diskutiert wird. Dabei verwendet Aristoteles das M. (eleos) an verschiedenen Stellen seiner Ethik und in der Poetik, wo es auch zum Grundbegriff der tragischen Wirkung erklärt wird und dann bis ins 18. Jh. (Mendelssohn, Lessing) eine unablässige Diskussion im Bereich der Poetik in Gang gesetzt hat (Katharsis). Im Christentum, vor allem bei Augustinus und Thomas, gehört das M. zur Tugend der Barmherzigkeit und zum Bestandteil der Nächstenliebe; die Aufklärungsphilosophie (Wolff) greift diesen Gedanken erneut auf, kritisiert zugleich aber auch, so Kant, die Ambivalenz eines Affekts, der nicht zum Bestimmungsgrund wirklichen moralischen Handelns tauge. Schopenhauer rückt das M. wieder in den Vordergrund und erklärt es zum Prinzip und Fundament der Ethik, was die harsche Kritik Nietzsches, der darin nur ein Zeichen der Dekadenz bzw. »Degenerescenz« der Gattung zu erkennen glaubte, herausgefordert hat. Im 20. Jh. erfährt die Mitleidskategorie bei Scheler, Adorno und G. Anders (Steigerung des Mitleidsempfindens als kategorischer Imperativ) sowie in den Überlegungen von W. Marx im Anschluss an Heidegger und von H. Jonas zu einer neuen ökologischen Ethik eine ausführliche Behandlung.
WJ
LIT:
- G. Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. 2 Bde. Mnchen 1956/1980
- H. Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Frankfurt 1979
- W. Marx: Ethos und Lebenswelt. Mitleidenknnen als Ma. Hamburg 1986
- L. Samson: Mitleid. In: HWPh. V (1980). Sp. 14091416
- A. Schpf: Wohlwollen. In: Lexikon der Ethik. Hg. v. O. Hffe. Mnchen 41992. S. 314 f.