Revisionismus
besonders von E. Bernstein vorgetragene Kritik (Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie. 1899) an der marxistischen These vom notwendigen Zusammenbruch der kapitalistischen Produktionsweise. V.a. das »Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate« durch zwangsläufige überproportionale Zunahme des »fixen« Kapitals (Sachanlagen) zu Lasten des »variablen« Kapitals (Arbeitskraft) war für Bernstein empirisch nicht unterfüttert. Daneben kritisierte er Marx’ geschichtsphilosophische Ausrichtung und wies damit auf unterschiedliche Arumentationsfiguren innerhalb des marxistischen Denkens hin. So gilt zum einen der Konflikt zwischen »Produktivkräften« und »Produktionsverhältnissen« als Dynamo der geschichtlichen Entwicklung. Dieser funktionalistischen, systemischen Analysefigur steht aber gleichzeitig im Marx’schen Werk eine eher handlungstheoretische Analyse gegenüber (Kampf der Klassen ist Motor der Geschichte). Beide Vorstellungen vom Gang der Geschichte boten aber nach Bernstein dem sozialdemokratischen Handeln in der Gegenwart keine Orientierung. Stattdessen votierte er dafür, von der Stabilität kapitalistischer Verhältnisse auszugehen und in ihnen den politischen und sozialen Handlungsrahmen der Arbeiterbewegung auszudehnen. Demokratie wird damit zum Ziel und Mittel sozialer Reformpolitik. Bernstein fand mit seinen Thesen keine innerparteiliche Mehrheit. Obwohl die SPD – u. a. auf Drängen R. Luxemburgs (Sozialreform oder Revolution?) – an ihrem marxistischen Vokabular der Systemtranszendenz festhielt, markiert Bernsteins R. letztlich doch den Weg der sozialistischen/sozialdemokratischen Parteien westlicher, hochindustrieller Systeme (z.B. Godesberger Programm der SPD, 1959). Mit der Bindung des Kommunismus-Begriffs an die Herrschaftspraxis der UdSSR erhält R. eine weitere Bedeutungsebene. So kritisiert die KPdSU kommunistische Parteien, die dem sowjetischen Sozialismus nicht nachfolgen als revisionistisch, während gleichzeitig – etwa von der KPCH – ihr selbst der R.-Vorwurf gemacht wird. In anderem Zusammenhang meint R. den Bruch mit bisher gültigen Theorien, Paradigmen, Schulmeinungen. So wird beispielsweise in der Historiographie oder der Psychoanalyse von revisionistischen Theorien etc. gesprochen.
TN