Semantik
eine der drei Disziplinen der allgemeinen Zeichentheorie (Semiotik, Semiologie). Im Gegensatz zur Syntaktik, die die interne Struktur sprachlicher und anderer Zeichensysteme untersucht, und der Pragmatik als Theorie der Zeichenverwendung behandelt die S. die verschiedenen Beziehungen zwischen Zeichen und Bezeichnetem. Dabei stehen sprachliche Zeichen im Mittelpunkt. – Allerdings ist die Möglichkeit einer klaren Abgrenzung zwischen Syntaktik und S. einerseits, S. und Pragmatik andererseits, aus verschiedenen Gründen umstritten. – Zwei Ebenen semantischer Untersuchungen lassen sich unterscheiden: (1) die Zuordnung von außersprachlichen Gegenständen, Mengen, Sachverhalten etc. zu den Ausdrücken einer bestimmten (entweder natürlichen oder formalen) Sprache und (2) die Behandlung von damit verbundenen generellen Fragen nach dem Verhältnis zwischen Sprache, Denken und außersprachlicher Wirklichkeit. Geht es bei Untersuchungen der ersten Ebene um natürliche Sprachen (wie Deutsch oder Chinesisch), so ist die S. eine empirische Teildisziplin der Sprachwissenschaft. Handelt es sich dagegen um formale Sprachen (v. a. in der Mathematik), so besteht die S. in der (»Interpretation« genannten) Zuordung einer Struktur (eines »Modells«) zu rein syntaktisch definierten Ausdrücken. – In den Aufgabenbereich der Philosophie fallen dagegen v.a. die Fragestellungen der zweiten Ebene, auf der es um die Beziehungen zwischen Sprache, Denken und außersprachlicher Wirklichkeit im Allgemeinen geht. Grundlegend sind dabei v.a. die Fragen nach dem Verhältnis zwischen den folgenden Begriffen: (a) zwischen Bedeutung (Sinn, Intension) und Referenz (Bezug, Extension), (b) zwischen Bedeutung, Wahrheit und Verifikation und (c) zwischen Bedeutung und Gebrauch. Weitere wichtige semantische Begriffe und Unterscheidungen sind die zwischen analytischen und synthetischen Sätzen, zwischen Sprache und Metasprache (Wahrheit) sowie der Übersetzungs-, der Interpretations- und der Synonymiebegriff. Wegen der grundlegenden Wichtigkeit des Bedeutungsbegriffs für die Fragestellung der philosophischen S. wird deren Gebiet häufig auch mit dem einer Bedeutungstheorie gleichgesetzt. Gelegentlich wird jedoch auch zwischen der Theorie der Referenz und der Theorie der Bedeutung als zwei Teilbereichen der S. unterschieden.
Die unterschiedlichen Semantiktheorien lassen sich (idealisierend) auf zwei Grundtypen zurückführen, die man als realistische und als pragmatische S. bezeichnet. (1) Den realistischen Semantiktheorien zufolge muss einem sprachlichen Zeichen zunächst eine Bedeutung (Intension) und/oder eine Referenz (Extension) zugeordnet werden, bevor es in sinnvollen Aussagen verwendet werden kann. Einer ersten Variante zufolge stehen sprachliche Zeichen in einer konventionell festgelegten Beziehung zu einem begrifflichen oder anschaulichen Gehalt (Bedeutung, Intension), den sie ausdrücken und der seinerseits die Extension (d.h. die bezeichneten Gegenstände) bestimmt. (So handelt es sich Frege zufolge bei den Bedeutungen sprachlicher Zeichen um zeitlose, abstrakte Entitäten). Einer anderen Auffassung nach ist der Rekurs auf Bedeutungen überflüssig. Dem Zeichen wird unmittelbar ein Gegenstand (Ding, Eigenschaft, Menge oder Sachverhalt) zugeordnet, den es bezeichnet. (2) Dagegen muss den pragmatischen Semantiktheorien zufolge die Bedeutung dem Zeichen nicht in einem ersten Schritt zugeordnet werden, um in sinnvollen Aussagen verwendet werden zu können. Die Bedeutung eines Zeichens ergibt sich vielmehr erst aus den Weisen seiner Verwendung, durch die auch die Referenz festgelegt wird (dies führt zu einer weitgehenden Zurücknahme der Unterscheidung zwischen Semantik und Pragmatik). So ist einer berühmten Formulierung des späten Wittgenstein zufolge in vielen Fällen die Bedeutung eines Wortes sein regelgeleiteter »Gebrauch in der Sprache«. – Quine, der die Frage nach der S. einer natürlichen Sprache als Frage nach der Übersetzung von einer fremden in die eigene Sprache formuliert, betrachtet das faktische Sprachverhalten als einzige zulässige Basis der S., die jedoch die Bedeutung sprachlicher Äußerungen unbestimmt lasse und auch die Referenz nicht eindeutig festlege. Quine verwirft den Begriff der Bedeutung daher ganz; selbst die Referenz liegt danach nur relativ zu einer Metasprache fest. – Andere Formen pragmatischer Semantiktheorien, die z.B. an die Sprechakttheorie oder das Kommunikationsmodell von H. P. Grice anknüpfen, kommen zu weniger skeptischen Ergebnissen.
MW
LIT:
- S. Blackburn: Spreading the Word. Oxford 1984
- F. v. Kutschera: Sprachphilosophie. Mnchen 21975. Kap.2.
Semantik,mentalistische
Die von Frege, aber auch von Carnap vertretene m. S. beruht auf der Auffassung, dass die notwendige und hinreichende Bedingung für das Verstehen eines Ausdruck ist, dass man sich in einem bestimmten psychischen Zustand befindet, der die Extension eines Ausdrucks festlegt. Dafür müssen folgende Annahmen gelten: (1) Der Sinn eines sprachlichen Ausdrucks bestimmt seinen Bezug. Ausdrücke mit demselben Sinn können demnach keinen verschiedenen Bezug haben. (2) Der kompetente Sprecher einer Sprache kennt den Sinn aller Ausdrücke dieser Sprache. – Kritisch setzt sich damit Putnam in seinem Doppelgänger-Argument auseinander.
PP
Semantik,handlungstheoretische
von Grice initiierter Ansatz, der eine handlungstheoretische Begründung für die zentralen Termini der Kommunikationsregeln untersucht. In einem ersten Schritt wird mit Hilfe handlungstheoretischer Termini ein allgemeiner Kommunikationsbegriff expliziert, ohne dass dabei für die Explikation sprachliche Bedeutungsbegriffe benützt werden. Grice unterscheidet zu diesem Zweck das natürliche von dem nicht-natürlichen Bedeuten. Das natürliche Bedeuten ist bei einer Anzeigefunktion eines Zeichens gegeben, bspw. wenn ein Klingelzeichen das Schließen der Omnibus-Türe anzeigt. Etwas mit einer Äußerung meinen (bzw. zum Ausdruck bringen wollen), ist ein Fall von nicht-natürlicher Bedeutung. Dessen handlungstheoretischer Aspekt wird durch folgende Umformulierung ersichtlich: Der Satz »S (ein Sprecher) meinte mit x (einer Tätigkeit oder Äußerung) etwas« ist äquivalent dem Satz »S beabsichtigte, dass die Äußerung von x bei einem Hörer eine Wirkung mittels des Erkennens dieser Absicht (des Sprechers) hervorruft«. Dadurch erweist sich nach Grice die intendierte Wirkung als grundlegend für die Bestimmung der nicht-natürlichen Bedeutung. Ein von dem Sprecher gezeigtes Verhalten lässt sich dann als erfolgreicher Kommunikationsversuch bestimmen, wenn das Ziel in der vom Sprecher intendierten Weise erreicht wird. Für die adäquate Bestimmung des Kommunikationsversuchs ist es erforderlich, dass sie folgender Reflexivitätsbedingung genügt (Meggle): Ein von einem Sprecher gezeigtes Verhalten x ist nur dann ein an einen Hörer gerichteter Kommunikationsversuch, wenn der Sprecher will, dass von seiten des Hörers sein Verhalten x als ein Kommunikationsversuch verstanden wird. In einem zweiten Schritt ist zu zeigen, wie sich die sprachlichen Bedeutungsbegriffe mit Hilfe des eingeführten Kommunikationsbegriffs (d.h. handlungstheoretisch) bestimmen lassen. Diese Aufgabe löst Lewis durch die Angabe von Sprachkonventionen (Konvention), die sich aus dem gemeinsamen Interesse, mit Hilfe von Zeichen oder Lauten die Handlungen anderer beeinflussen zu können und daraus Nutzen zu ziehen, ableitet. Dabei handelt es sich um die Konvention der Wahrhaftigkeit (des Sprechers) und des Vertrauens (in diese Wahrhaftigkeit seitens des Hörers). Wahrhaftigkeit bedeutet, dass irgendwelche Sätze nur dann geäußert werden, wenn man von ihrer Wahrheit überzeugt ist. Die Mitglieder einer Population glauben, dass diese Regularität der Wahrhaftigkeit und des Vertrauens unter ihnen tatsächlich vorliegt. Die Erwartung der Konformität gibt gewöhnlich jedem einen Grund für eigenes konformes Verhalten. Von den kommunikativen Konventionen (des ersten Schritts) her lassen sich jetzt Sprachkonventionen bestimmen, durch die sprachlichen Ausdrücken als den Produkten von Handlungsweisen Bedeutungen zugeordnet werden. In einem dritten Schritt sind diejenigen Annahmen zu benennen, die Sprecher und Hörer gleichermaßen bei einer Aussage unterstellen. Grice bezeichnet diese Annahmen als Konversationsimplikaturen: (1) die Annahme, dass der Sprecher das Kooperationsprinzip (seinen Gesprächsbeitrag gemäß den Erfordernissen des gemeinsam akzeptierten Zwecks des Gesprächs zu gestalten) und die Konversationsmaximen beachtet, (2) die Annahme, dass der Sprecher der bewussten Überzeugung hinsichtlich seines Aussageinhalts (oder Bedeutung seiner Tätigkeit) ist, (3) die Annahme, dass der Sprecher glaubt, dass der Hörer in der Lage ist zu erfassen, dass die Annahme der bewussten Überzeugung nötig ist.
PP
LIT:
- H. P. Grice: Intendieren, Meinen, Bedeuten. In: G. Meggle (Hg.): Handlung, Kommunikation, Bedeutung. Frankfurt 1979. S. 2 ff
- Ders.: Sprecher-Bedeutung, Satz-Bedeutung, Wort-Bedeutung. In: a.a.O. S. 85 ff
- Ders.: Logik und Konversation. In: a.a.O.S. 243 ff
- D. Lewis: Die Sprache und die Sprachen. In: a.a.O. S. 197 ff
- G. Meggle: Einleitung zu: Handlung, Kommunikation, Bedeutung. In: a.a.O., S. VIIff.