Realisieren
(aus lat. res: Ding, Sache bzw. realis: sachlich, wesentlich), wirklich machen, verwirklichen (z.B. eine Idee); sich einer Sache, der Wirklichkeit eines Tatbestandes bewusst werden. – Im engeren erkenntnistheoretischen Zusammenhang meint R. den Übergang von der bloßen Realmeinung, von der Annahme, dass ein bestimmter Gegenstand unabhängig vom erkennenden Subjekt, d.h. an sich besteht, zur eigentlichen Erkenntnis der Realität, zur Realsetzung, d.h. zu der Feststellung, dass die Annahme des Denkens über die Realität eines Gegenstandes zutrifft. Dieser Übergang kann grundsätzlich auf dem Weg der Erfahrung oder auf dem Weg des reinen Denkens versucht werden. – Ursprünglich wohl aus der frz. Rechtssprache übernommen, gewinnt der Begriff vor allem im Deutschen Idealismus an theoretischer Bedeutung. Die Frage nach dem Wirklichkeitsgehalt der Kategorien, welche Kant durch das Ineinandergreifen von reinen Verstandesformen und den apriorischen Formen der Anschauung beantwortete, bleibt in unterschiedlichen Akzentuierungen auch für die Systementwürfe Fichtes, Schellings und Hegels maßgeblich. – Danach erscheint der Begriff vor allem in wissenschaftstheoretischen Ansätzen (Külpe, Whitehead) und in modelltheoretischen Überlegungen (Tarski). – Unabhängig davon etablierte sich in der frz. Kunstkritik des ausgehenden 19. Jh. anknüpfend an Cézannes Verständnis der »réalisation« eine Bedeutung, die die Kunstdiskussion des 20. Jh. entscheidend prägte (Rilke, Heidegger, Merleau-Ponty). R. ist hier in Abgrenzung gegen ein mimetisches Kunstkonzept als Hervorbringung, als Sichtbarmachung verstanden.
AC
LIT:
- G. Boehm: P. Czanne. Montagne Ste. Victoire. Frankfurt 1988
- W. Bugger: Grundprobleme metaphysischer Begriffsbildung. In: Zs. fr philosophische Forschung 4 (1950)
- R. Jelke: Die Realisierung in Natur- und Geisteswissenschaften. In: Kantstudien 28 (1923). S. 221265
- J. A. Petrov: Logische Probleme der Realisierungs- und Unendlichkeitsbegriffe. Berlin 1971
- N. Rotenstreich: Practice and Realization. Den Haag 1979.