Sāṃkhya
(sanskrit: auf Zahlen beruhend(e Lehre)). Der Name S. rührt wohl von der Besonderheit dieses philosophischen Systems her, die die Welt konstituierenden Prinzipien aufzuzählen. Mit dem S. macht die indische Philosophie den Schritt vom Monismus zum Dualismus: es stehen sich die Materie (Prakṙti oder pradhāna) und Seele oder Geistmonade (Puruṣa) gegenüber. Das klassische Werk des S. ist die S.-Kārikā (»Lehrsprüche des S.«) des Īśvarakṙṣṇa (vor 500 v.Chr.), die ein atheistisches System insofern lehrt, als es als ewige Prinzipien neben der Prakṙti eine Vielheit von Puruṣas (S.-Kārikā 18), aber keinen allem übergeordneten Hochgott (Īśvara) gibt. Wichtig ist dabei, dass dem Puruṣa keinerlei Eigenaktivität innewohnt, sondern dass er rein geistig-passiver Natur ist (S.-Kārikā 19), während der Prakṙti durchaus alle psychischen Funktionen zugerechnet werden. Das S. bietet eine Evolutionslehre (pariṇāmavāda), die jedoch davon ausgeht, das ein jeweiliges Produkt oder eine Wirkung schon vorher vorhanden war und sozusagen nur in Erscheinung tritt (S.-Kārikā 9, satkāryavāda »Lehre von den existierenden Produkten oder Wirkungen«). Die (Ur-)Materie befindet sich innerhalb des kosmischen Kreislaufes von Emanation und Reabsorption zunächst in einem Ruhezustand, der durch das Gleichgewicht der drei ihr innewohnenden Konstituenten (Guṇa: sattva, rajas, tamas, S.-Kārikā 12 f.) gewährt ist. Bei der Evolution der Welt entsteht durch die Vermischung der Guṇas und die Entfaltung der Prakṙti (S.-Kārikā 22 ff.) eine scheinbare Verbindung der Puruṣas mit der Prakṙti (S.-Kārikā 55), insofern, als die Illusion von den Puruṣas als aktive Täter in der Prakṙti hervorgerufen wird, somit also der Anschein, dass es geistige Seelenmonaden (Jīva) gebe. Die Metaphysik des S. erkennt die Gesetzmäßigkeiten von Saṃsāra und Karma an und lehrt, dass die Unterscheidung (viveka) von Prakṙti und Puruṣa zur Erlösung führt, die in reinem Geistsein, dem ursprünglichen Zustand des Puruṣa, besteht (S.-Kārikā 65 f.).
MD
LIT:
- E. Frauwallner: Geschichte der indischen Philosophie. Bd. 1. Salzburg 1953. S. 275 ff
- R. Garbe: Die Sāṃkhya-Philosophie. Leipzig 21917
- M. Hiriyanna: Vom Wesen der indischen Philosophie. Mnchen 1990. S. 152 ff
- M. Hulin: Sāṃkhya Literature. Wiesbaden 1978
- G. J. Larson: Classical Sāṃkhya. Delhi 1967
- G. J. Larson/R.S. Bhattacharya: Sāmkhya: A Dualist Tradition in Indian Thought. Princeton 1987
- J. Mehlig: Weisheit des alten Indien. Bd. 1. Mnchen 1987. S. 506 ff. (bersetzung)
- A. Sengupta: The Evolution of the Sāṃkhya School of Thought. Lucknow 1959.