Unbewusste,das
Das U. als philosophischer Begriff hat seine Wurzeln in der Romantik. Anders als in Augustins Gedächtnistheorie (vergessene Erinnerungen im »Versteck des Geistes«), in Thomas v. Aquins Rückschluss auf eine unbewusste Denktätigkeit oder in Leibniz’ Lehre von den dunklen Vorstellungen, in denen jeweils zur Erklärung kognitiv perzeptiver Funktionen ein U.s vorausgesetzt wird, gewinnt das U. in der Romantik metaphysische Qualität. Es ist der fundamentale, irrationale, schöpferische Urgrund allen bewussten Lebens, der die Einheit zwischen Mensch und Natur konstituiert (C. G. Carus). Schopenhauers Metaphysik des blinden Willens verleiht dem U.n einen volitiv-dynamischen Charakter. In E. v. Hartmanns spätromantischer »Philosophie des Unbewussten« wird dem Bewusstsein jede Eigenständigkeit gegenüber der steuernden Macht des U.n aberkannt.
Die Romantik übte einen wesentlichen Einfluss auf die Auffassung des U.n in der Lebensphilosophie (insbes. Nietzsche, Klages) und in der Tiefenpsychologie (Freud, Jung) aus. In Freuds erster Theorie des psychischen Apparates wird das U. als ein System verstanden, das von in der frühen Kindheit verdrängten Erlebnissen gebildet wird. Die aus dem System Vorbewusst-Bewusst verdrängten Inhalte bleiben im U.n dynamisch aktiv (Psychodynamik). Durch bestimmte Abwehrmechanismen entstellt äußern sie sich in alltäglichen Fehlleistungen, Träumen und neurotischen Symptomen (Psychoanalyse). In der zweiten Theorie Freuds (ab 1920) wird das U. vorwiegend adjektivisch zur Bezeichnung unbewusster Anteile der drei Instanzen »Es«, »Ich« und »Über-Ich« gebraucht. Im Gegensatz zu Freud betont Jung nicht das im Laufe der Ontogenese gebildete individuelle, sondern das phylogenetisch entstandene kollektive U., das das gemeinsame Erbgut aller Menschen darstellt. Seine Inhalte sind die Archetypen, in deren Dynamik Jung sowohl die gesunde Selbstverwirklichung (Individuation) des Menschen als auch neurotische bzw. psychotische Fehlentwicklungen begründet sieht.
SP