Gebärde
Zu einem philosophisch bedeutsamen Thema wird die G. im Zusammenhang mit einer Gefühlslehre und der Entstehung von Sprache. In Darwins Expressions of the Emotions in Man and Animals findet sich die These, dass G.n zum einen als Überreste erfolgreicher Handlungen eines vorangehenden Entwicklungsniveaus anzusehen sind, zum anderen die Funktion haben, Emotionen zum Ausdruck zu bringen. Wundts Völkerpsychologie stellt diese These in einen Zusammenhang mit der Entwicklung der Sprache: G.n gelten ihm als Affektäußerung. Sie stellen Ausdrucksbewegungen dar, aus denen sich dadurch allmählich eine Gebärdensprache entwickelt, dass die G. zwischen zwei Personen zu einer Beziehung zwischen Gefühlsausdruck und Antwortbewegung führt. Die G. ermöglicht eine Wiedererzeugung von Affekten bei der »angesprochenen« Person und damit eine Kundgabe von »Vorstellungsinhalten«, die zu einer Antwortbewegung führt. Auf dieser Basis kann sich nach Wundt als nächstes die Lautgebärde entwickeln.
In der Theorie des symbolischen Interaktionismus von G. H. Mead wird die G. der menschlichen Bewusstseinsebene vorausliegend angesiedelt: Gebärdenreize können eine Bedeutung tragen, ohne dass diese in der Kommunikation bewusst werden muss, und dennoch wechselseitige Anpassung bewirken. Als Beispiele solcher tierischer sozialer Verhaltensweisen wären das Liebeswerben, die Brutpflege, Drohgebärde (und Unterwerfungsgeste) anzusehen. Die Bedeutung liegt dann in der anpassenden Reaktion des anderen Organismus. Der soziale Prozess der Gebärdenkommunikation bildet die Grundlage der durch Sprache vermittelten wechselseitigen Anpassung der menschlichen Individuen.
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LIT:
- Ch. Darwin: Expressions of the Emotions in Man and Animals. London 1872
- G. H. Mead: Geist, Identitt und Gesellschaft. Frankfurt 1973. S. 81 ff
- W. Wundt: Vlkerpsychologie. Leipzig 19001920. Bd. 1.